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Fliegende Fetzen

Fliegende Fetzen

Titel: Fliegende Fetzen
Autoren: Terry Pratchett
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dachte, wir hätten
    das schon hinter uns gebracht…«
    »Nach dem ganzen Durcheinander hat man vergessen, das Convivium
    abzuhalten«, sagte Lady Sybil und entfernte mikroskopische Fusseln von
    Mumms Wams. »Es wird jetzt nachgeholt.«
    »Man sol te meinen, daß ich als Herzog nicht dieses dämliche Kostüm
    tragen müßte, oder?«
    »Nun, ich habe deinen Auftritt in der Paradeuniform des Herzogs vor-
    geschlagen, Schatz.«
    »Ja, und es genügte mir, einen Blick darauf zu werfen. Weiße Seiden-
    strümpfe passen einfach nicht zu mir.«
    »Du hast genau die richtigen Waden dafür…«
    »Ich glaube, ich bleibe besser beim Kostüm des Kommandeurs«, sagte
    Mumm rasch.
    Erzkanzler Ridcully eilte herbei. »Wir sind jetzt soweit, Lord Mu…«
    »Nenn mich Sir Samuel«, sagte Mumm. »Daran bin ich einigermaßen
    gewöhnt.«
    »Nun, wir haben den Quästor in einer der Dachkammern gefunden –
    dem Beginn der Zeremonie steht also nichts mehr im Wege. Wenn du
    nun so freundlich wärst, deinen Platz einzunehmen…«
    Mumm schritt zur Spitze der Prozession, fühlte dabei al e Blicke auf
    sich ruhen und hörte flüsternde Stimmen. Konnte man aus dem Adel
    verstoßen werden? Er beschloß, bei nächster Gelegenheit in den Bü-
    chern nachzusehen. Doch wenn man daran dachte, was Lords in der
    Vergangenheit angestel t hatten… Vermutlich mußte man sich etwas
    sehr Schlimmes zuschulden kommen lassen, um wieder zu einem ge-
    wöhnlichen Bürger zu werden.
    Die ersten Entwürfe der Statue sahen recht gut aus. Und Mumm wuß-
    te inzwischen auch, was demnächst in den Geschichtsbüchern stehen
    würde. Wie sich herausstellte, war es ganz einfach, Einfluß auf die Ge-
    schichte zu nehmen: Man mußte nur die richtigen Worte niederschrei-
    ben. Darauf lief al es hinaus: auf Worte in Büchern.
    »Also gut!« rief Ridcully, um das vielstimmige Murmeln zu übertönen.
    »Wenn wir jetzt al e munter marschieren und Lord… Komman… Sir
    Samuel folgen, sol ten wir spätestens bis halb zwei zum Mittagessen zu-
    rück sein. Ist der Chor bereit? Niemand tritt jemand anderem auf den
    Saum des Umhangs? Dann los!«
    Mumm ging mit den obligatorischen langsamen Schritten und hörte,
    wie sich die Prozession hinter ihm in Bewegung setzte. Bestimmt gab es
    Probleme, wie immer bei solchen Anlässen; normalerweise hervorgeru-
    fen durch Alte und Taube sowie Junge und Dumme. Vermutlich waren
    einige Leute bereits in die falsche Richtung unterwegs.
    Als er den Hiergibt’sal es-Platz erreichte, ertönten Geräusche, die Spott
    und Blähungen ausdrückten – die übliche akustische Kulisse bei einer
    ausreichend großen Menschenmenge. Hinzu kamen traditionel e Bemer-
    kungen wie »He, der Bursche sieht wie ein Idiot aus«. Doch hier und
    dort erklangen auch einige jubelnde Stimmen.
    Mumm versuchte, starr geradeaus zu blicken.
    Seidenstrümpfe. Mit Strumpfbändern. Nein, ausgeschlossen. Für Sybil war er zu vielem bereit, aber wenn es in ihrer Beziehung jemals Strumpfbänder geben sol te, dann auf jeden Fal nicht bei ihm. Außerdem hatte
    man ihn immer wieder darauf hingewiesen, daß er einen purpurnen Man-
    tel mit Gezieferpelz tragen sol te. Auch das kam nicht in Frage.
    Mumm hatte eine verzweifelte Stunde in der Bibliothek verbracht und
    über goldene Knöpfe, Seidenstrümpfe und ähnlichen Unsinn gelesen.
    Tradition? Er würde den Leuten zeigen, worin wahre Tradition bestand.
    So wie er die Sache sah, hatten die ersten und ursprünglichen Herzöge ordentliche Kettenhemden mit Blut daran getragen, vorzugsweise das ihrer
    Gegner…
    Jemand schrie in der Menge. Mumm drehte den Kopf und bemerkte
    eine füllige Frau, die auf dem Boden saß und mit beiden Armen winkte.
    »Er hat mir die Handtasche gestohlen! Ohne das Abzeichen der Die-
    besgilde zu zeigen!«
    Die Prozession hielt an, als Mumm einer Gestalt nachsah, die über den
    Hiergibt’sal es-Platz rannte.
    »Bleib stehen, Sidney Greifzu!« rief er und stürmte los.
    Nur wenige Leute wissen, was es mit der Tradition wirklich auf sich hat.
    Ihre innere Natur zeichnet sich durch eine gewisse geheimnisvolle Lä-
    cherlichkeit aus. Einst gab es einen Grund dafür, am Seelenkuchendiens-tag einen kleinen Strauß Schlüsselblumen zu tragen, aber heute macht man das nur noch, weil… weil es sich so gehört. Außerdem ist die Intelligenz des Wesens namens »Menschenmenge« nicht höher als die Qua-
    dratwurzel der Anzahl al er Personen.
    Mumm lief, und der Universitätschor folgte ihm eilig. Die Leute
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