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Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie

Titel: Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie
Autoren: Alan Bradley
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länger.«
    Und plötzlich sprudelte es nur so aus mir heraus, ich plapperte von der toten Zwergschnepfe, von Mrs Mullets eigentlich doch ziemlich unschuldigem (wenn auch ungenießbarem) Schmandkuchen, ich erzählte, wie ich Bonepennys Zimmer im Gasthaus durchsucht und die Briefmarken gefunden, wie ich Miss Mountjoy und Dr. Kissing besucht hatte, von meinen Begegnungen mit Pemberton auf der Insel im Park und auf dem Friedhof, und von meiner Gefangenschaft in der Garage.
    Das Einzige, was ich nicht erzählte, war, dass ich Feelys Lippenstift mit einem Extrakt aus Giftefeu präpariert h atte. Warum den Inspektor mit unnötigen Einzelheiten verwirren?
    Während ich redete, kritzelte er gelegentlich in sein kleines schwarzes Notizbuch, dessen Seiten, wie mir auffiel, mit jeder Menge Pfeilen und kryptischen Zeichen bedeckt waren. Sie sahen aus, als wären sie von einer alchimistischen Formel aus dem Mittelalter inspiriert worden.
    »Komme ich da drin auch vor?«, fragte ich ihn und zeigte mit dem Finger auf das Buch.
    »Allerdings.«
    »Darf ich mal sehen? Nur ganz kurz?«
    Inspektor Hewitt klappte sein Buch zu.
    »Nein«, sagte er. »Das ist ein streng vertrauliches Polizeidokument.«
    »Schreiben Sie meinen Namen richtig aus oder bin ich da nur durch eines dieser Symbole repräsentiert?«
    »Du hast ein Symbol. Eins extra für dich«, sagte er und schob das Buch in seine Tasche. »Tja, ich glaube, ich muss mich wieder auf den Weg machen.«

    Er gab mir die Hand und schüttelte sie kräftig. »Auf Wiedersehen, Flavia«, sagte er. »Es war … ein ziemliches Erlebnis.«
    Er ging zur Tür und machte sie auf.
    »Inspektor …«
    Er blieb stehen und drehte sich um.
    »Was ist es für eins? Mein Symbol, meine ich.«
    »Es ist ein P«, antwortete er. »Ein großes P.«
    »Ein P?«, fragte ich verdutzt. »Wofür steht denn das P?«
    »Ach«, erwiderte er, »das bleibt am besten der Fantasie überlassen.«
     
    Daffy lag im Salon auf dem Teppich und las Der Gefangene von Zenda.
    »Weißt du eigentlich, dass du beim Lesen die Lippen bewegst?«, fragte ich sie.
    Sie ignorierte mich. Also beschloss ich, mein Leben aufs Spiel zu setzen.
    »Apropos Lippen«, sagte ich. »Wo ist Feely eigentlich?«
    »Beim Arzt«, sagte sie. »Sie hat irgendeine Allergie. Muss mit irgendwas in Kontakt gekommen sein.«
    Aha! Also war mein Experiment doch noch von Erfolg gekrönt worden! Niemand würde je dahinterkommen. Sobald ich einen Augenblick für mich hatte, würde ich es in meinem Notizbuch vermerken:
    Dienstag, 6. Juni 1950, 13.20 Uhr. Erfolg! Ausbruch wie erwartet! Der Gerechtigkeit ist Genüge getan!
    Ich schnaubte leise vor mich hin. Daffy musste es gehört haben, denn sie rollte sich herum und setzte sich auf.
    »Glaub ja nicht, dass du einfach so davonkommst«, sagte sie leise.
    »Hä?« Verwirrte Unschuld war meine Spezialität.
    »Was für einen Hexentrank hast du in ihren Lippenstift gemischt?«

    »Ich habe nicht die geringste Ahnung, wovon du sprichst«, sagte ich.
    »Sieh dich bloß mal im Spiegel an«, sagte Daffy. »Und pass auf, dass er nicht zerspringt.«
    Ich drehte mich um und ging langsam zum Kamin, wo ein beschlagenes Überbleibsel aus dem Regency betrübt über dem Sims hing und das Zimmer widerspiegelte.
    Ich beugte mich näher heran und musterte mein Spiegelbild. Zuerst sah ich lediglich mein gewöhnliches brillantes Ich, meine hellblauen Augen, meinen blassen Teint, aber als ich länger hinschaute, fielen mir weitere Einzelheiten an dem übel zugerichteten quecksilbrigen Abbild meiner selbst auf.
    Da war ein Fleck an meinem Hals. Ein feurig roter Fleck! An der Stelle, an der Feely mich geküsst hatte!
    Ich stieß einen gequälten Schrei aus. »Feely hat gesagt, sie hätte dir alles heimgezahlt, kaum dass sie fünf Sekunden in der Grube gewesen ist.«
    Noch ehe Daffy sich wieder auf den Bauch gerollt und ihrer blöden Mantel-und-Degen-Geschichte zugewandt hatte, hatte mein neuer Plan Gestalt angenommen.
     
    Einmal, als ich ungefähr neun war, führte ich Tagebuch darüber, wie es war, eine de Luce zu sein, oder zumindest diese eine besondere de Luce. Ich dachte viel darüber nach, wie ich mich dabei fühlte und kam schließlich zu dem Schluss, dass Flavia de Luce zu sein in etwa so war wie ein Sublimat zu sein: wie der schwarze kristalline Rest, den die violetten Joddämpfe auf dem kalten Glas eines Reagenzglases zurücklassen. Damals hielt ich das für die perfekte Beschreibung, und während der vergangenen zwei Jahre
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