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Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen: Roman (German Edition)
Autoren: Anke Greifeneder
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Kolleginnen, wie ich annahm, versammelt hatten und mich neugierig ansahen.
    »Hallo, ich bin Gretchen!« Ich lächelte so einnehmend ich konnte, während ich nach Luft schnappte und mir die Stirn abwischte.
    »Die Neue!«
    Dieser nicht nett klingende Kommentar war, wenn ich es richtig einstufte, auch nicht nett gemeint.
    Er kam von der großen Dunkelhaarigen, Mitte dreißig, die mich von Kopf bis Fuß abschätzig musterte.
    Sie hatte etwas vom Typ höhere Tochter, und es würde mich nicht wundern, wenn sie Chiara Ohoven und einen Nerzmantel zu ihren besten Freunden zählte, mit denen sie gemeinsam bei Charitys Reden auf die Rettung unseres wunderschönen blauen Planeten halten konnte. Der schnippische Zug um den Mund machte sie nicht wirklich hübscher, wenn auch das Gesicht makellos war und bestimmt nur mit La-Prairie-Produkten Bekanntschaft gemacht hatte.
    »Na, wenn die so arbeitet, wie sie pünktlich ist, gute Nacht.« Sprach’s und rauschte ab.
    Verdutzt blickte ich ihr hinterher.
    »Ja, Diane hast du jetzt kennen gelernt. Die ist eigentlich immer so, wie sie gerade war. Wir nennen sie Rittmeister, weil sie gern diesen Ton draufhat und Befehle austeilt, auch an Kollegen, die auf einer Stufe mit ihr stehen. Nur damit du schon mal gewarnt bist. Ich bin übrigens Marion, und das ist Michi.« Marion war mir auf Anhieb sympathisch, sie hatte eine offene, natürliche Art, und Michi schien auch nett zu sein. Etwas schüchtern und blass vielleicht, aber durchaus freundlich. Wenn zwei von dreien nett waren, war das doch ein guter Schnitt, sprach ich mir Mut zu. Marion, die eher der sportliche, athletische Typ war und zu den wenigen Frauen gehörte, denen eine dunkle Kurzhaarfrisur stand, nahm sich meiner an.
    »Pass bloß auf! Rittmeister Diane arbeitet auch erst seit vier Wochen hier, tritt aber schon auf, als ob ihr die Firma gehörte. Übrigens, ich hab was für deinen Einstand in der Küche vorbereitet.«
    Eine Prügelgasse fürs Zuspätkommen?
    Nein, zu meiner Freude stand da ein Tablett mit Sektgläsern.
    »Eigentlich wollten wir später alle gemeinsam anstoßen, aber ich glaube, so ’nen kleinen Schluck, um Dianes Bekanntschaft zu verdauen, können wir uns schon gönnen!« Marion kicherte, und ich stimmte nur zu gern zu.
    Konnte mir nicht schaden, etwas lockerer zu werden, auch wenn jeder Business-Knigge von Alkohol in dieser Situation bestimmt abgeraten hätte. Spielverderber.
    »Also, willkommen Gretchen!« Wir stießen an.
    Kaum hatte ich das Glas geleert, fielen mir siedend heiß die beiden Buscopan-Tabletten ein, die soeben begonnen hatten, ihre Wirkung zu entfalten.
    Wie konnte man so unvorsichtig sein! Das Ergebnis dieser Kombination kannte ich leider schon. Schon einmal war mir dieser Anfängerfehler passiert, und seitdem wusste ich, was Auf-Watte-Gehen hieß und wie man sich selbst in Zeitlupe beobachten konnte. Wo gab es hier Kaffee?!
    »Ich bring dich schnell an deinen Platz, da kannst du deine Sachen ablegen, und dann würde Clemens Vogelmann dich gerne kennen lernen.«
    Clemens war der neue Chefredakteur, von dem Feline Wagenknecht erzählt hatte und der »den Karren« wieder aus dem Dreck ziehen sollte. Feline hatte nach zwei erfolglosen Jahren mehr oder weniger das ganze Team ausgewechselt, und wir waren die neuen Besen, die jetzt bitte auch gut kehren mussten. Hoffentlich konnte man gut mit Clemens Vogelmann arbeiten, und hoffentlich hielt er mich nicht für zurückgeblieben, denn ich spürte deutlich, wie die Wechselwirkung der Tabletten mit dem Sekt einsetzte.
    Meinen Arbeitsplatz hatte ich schon beim letzten Mal gesehen. Ich teilte mir das Büro den Fotos nach mit Michi. Der Raum war großzügig geschnitten, mit altem Fischgrätenparkett ausgelegt, Stuckdecken und Flügeltüren und einem großen Fenster mit Blick auf den begrünten Hinterhof. Ja, das war der Vorteil an Berlin. Solche Häuser gab es hier zuhauf, und man musste sich nicht gleich verschulden, um die Miete bezahlen zu können.
    Ich stellte meine Tasche an meinem Platz ab und hätte mir jetzt gern etwas Wasser ins Gesicht gespritzt oder den Puls gekühlt, aber mir blieb keine Zeit, denn Marion zog mich auch schon hinaus auf den Flur und zwei Türen weiter, klopfte an, steckte kurz den Kopf ins Büro von Clemens Vogelmann und sagte: »Gretchen wäre dann so weit.« Schließlich schob sie mich hinein und überließ mich meinem Schicksal.
    Mist, ich war null vorbereitet, meine Zunge fühlte sich schwer an, und meine Augen waren auf
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