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Flammenbraut

Flammenbraut

Titel: Flammenbraut
Autoren: Lisa Black
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Angela?«
    »Wir sind Cops. Da nennt man sich nicht beim Vornamen.«
    »Klar doch. Wie wäre es mit Angie?«
    »Wie wäre es, wenn du die Leiche fertig machst, damit ich mich Morden widmen kann, die diese Woche und nicht irgendwann in diesem Jahrzehnt begangen wurden?«
    »Vielleicht haben wir es gar nicht mit einem Mord zu tun.«
    »Außerdem«, fuhr er fort, »hasst sie es, wenn man Angie sagt. Kein Mord? Er trägt eine Waffe, und sein Kopf ist dann wohl rein zufällig zwischen seinen Füßen gelandet?«
    »Ich will damit nur sagen, dass dieser Tisch, auch wenn er aus Holz besteht, mich an unsere Autopsietische in der Gerichtsmedizin erinnert. Außen herum verläuft eine Überlaufkante, als ob dadurch Blut aufgefangen oder der Patient am Herunterfallen gehindert werden sollte. In der Platte befindet sich ein Loch, an das vielleicht ein Schlauch angeschlossen war, der zu dieser Öffnung hier im Boden führte, die mit einer Art Gummimatte abgedeckt war. Befand sich hier früher vielleicht ein Bestattungsinstitut? Oder wurde hier medizinischer Unterricht abgehalten?«
    »Und dann hat man zufällig eine Leiche hier vergessen, als man ausgezogen ist?«
    »Es sind schon weit seltsamere Sachen passiert. Vielleicht handelt es sich hierbei sogar um eine Art Schrein.«
    »Es gilt aber normalerweise nicht als ein Zeichen von Respekt, jemandem den Kopf abzutrennen und ihn zwischen den Füßen zu platzieren.«
    »Wer weiß, und selbst wenn es so war, dann handelt es sich vielleicht nur um einen Fall von Leichenschändung, aber nicht um Mord. Deshalb benötigen wir als Erstes eine Liste aller früheren Mieter und Eigentümer. Außerdem habe ich bisher keinerlei Spuren einer Gewaltanwendung gefunden. Keine Einschüsse, keine stumpfe Gewalteinwirkung am Schädel, keine sichtbaren Brüche oder Beschädigungen an den Rippen, soweit ich das sehen kann. Seine Knochen scheinen unversehrt zu sein.«
    »Mal davon abgesehen, dass man ihm den Kopf abgetrennt hat.«
    »Ja, abgesehen davon.«
    Vorsichtig überprüfte Theresa mit ihrer behandschuhten Hand den Inhalt der rechten hinteren Hosentasche. Eigentlich hätte sie sie nur abklopfen sollen oder der Leiche zuerst die Hose ausziehen. In fremden Taschen konnte man auf verunreinigte Nadeln oder andere unangenehme Dinge stoßen. Doch der kritische Zustand der Kleidung ließ sie ihre eigenen Bedenken über Bord werfen. Sie fand insgesamt sechs Cents, einen Nickel und einen Penny. Wieder griff sie nach der Halogenleuchte, um ihren Fund genauer zu inspizieren. »Ich bin mir nicht mal sicher, ob er wirklich in diesem Jahrzehnt gestorben ist.«
    Frank hatte gerade die verbliebene Wand unter die Lupe genommen. »Was meinst du damit?«
    »Ich weiß nicht, ob du das hören möchtest. Ich zumindest will es nicht.«
    »Was?«
    »Es mag vielleicht zu vereinfacht klingen, aber die Münzen in einer Hosentasche sind normalerweise ein zuverlässiger Hinweis darauf, in welcher Zeit der jeweilige Mensch verschwand oder starb. Man könnte meinen, dass man Münzen aus jedem der letzten zwanzig Jahre mit sich herumträgt, doch erfahrungsgemäß …«
    Frank trat näher heran und blickte ihr über die Schulter auf die Geldstücke in ihrer Hand. »Spuck’s schon aus, Tess. Aus welchem Jahr stammen sie?«
    »Der Penny hier ist von 1931. Der Nickel aus dem Jahr 1935.«
    Er griff nach der Kupfermünze mit Lincolns Kopf auf der Vorder- und den Weizenbündeln auf der Rückseite, so vorsichtig, als könnte sie sich so leicht auflösen wie das Hemd des Mannes. Theresa drehte den Nickel hin und her und musterte den eingravierten Indianerkopf und den Büffel.
    »Du willst damit doch nicht etwa sagen, dass die Leiche seit fünfundsiebzig Jahren hier liegt?«, vergewisserte sich Frank ungläubig.
    Verschiedene Dinge gingen Theresa durch den Kopf.
    Zum einen die Tatsache, dass – wenn man davon ausginge, dass der Mann ermordet worden war – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt kein wahnsinniger Mörder in der Stadt umging. Höchstwahrscheinlich wäre der Täter nämlich mittlerweile genauso wie sein Opfer verschieden oder zu gebrechlich, um noch Leichen auf Obduktionstischen zu hinterlassen.
    Zum anderen der Verdacht, dass dieser Fall aufgrund der zeitlichen Dimension nur sehr schwer, wenn nicht gar unmöglich zu lösen sein würde.
    Zum Dritten verortete das Jahr 1935 den Tod dieses Mannes mitten in die Zeit der berüchtigten Torso-Morde, während der mindestens zwölf Menschen getötet, zerstückelt und über ganz Cleveland
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