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Flammenbraut

Flammenbraut

Titel: Flammenbraut
Autoren: Lisa Black
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nicht an der heißen Verkleidung –, deren Kabel sich durch das Erdgeschoss zu einem in der Ferne brummenden Generator schlängelte.
    Man hatte den Kopf zwar von seinem angestammten Platz entfernt, jedoch nicht von der Leiche. Er saß zwischen den nach außen gerichteten Füßen, die in braunen Lederschuhen steckten. Die leeren Augenhöhlen starrten zu ihr hoch. Etwas Fleisch lag noch auf den Knochen, ebenso einige Haare, doch ein Gesicht war da nicht mehr, da war nichts Menschliches, vielmehr sah das Ganze nach einer billigen Halloween-Dekoration aus.
    »Sie verstehen jetzt, was ich meinte?« Der junge Polizist war ihnen gefolgt. »Ist doch seltsam.«
    Die Feuchtigkeit des Gebäudes kroch Theresa allmählich in die Knochen, und sie erschauderte. Jetzt wusste sie, was er mit Kingsbury Run und seiner ganz speziellen Geschichte gemeint hatte.
    »Was denkst du?«, fragte Frank.
    »Ich denke, ich brauche erst mal einen Kaffee«, erklärte sie.

2
    Donnerstag, 2. September
    Theresas Hände strichen vorsichtig über die Kleidung des Toten auf der Suche nach irgendwelchen Gegenständen, die der Identifikation gedient hätten, oder nach Hinweisen auf den Zustand des Körpers. Würde die papierdünne Haut den Transport überstehen? Sie konnte nicht auf den Anthropologen warten, der zweieinhalb Stunden von hier an der Universität saß. Außerdem wäre das County bei der derzeitigen Knappheit an finanziellen Mitteln sicherlich nicht bereit, sein Beraterhonorar für die Bergung der Leiche zu übernehmen, nur damit man ein Skelett untersuchen konnte. Frustriert stieß Theresa die Luft aus, als ein Ärmel unter ihren Fingern zerfiel.
    »Wie kommst du voran?«, fragte Frank.
    »Es muss sich hierbei um Baumwolle oder Wolle handeln. Irgendeine Naturfaser. Synthetische Fasern wären besser erhalten. Wenn er in dieser Kleidung in der Erde gelegen hätte, wäre nichts mehr davon übrig.« Ihre Finger ertasteten etwas in der Hemdtasche des Mannes, doch die Verwesungsflüssigkeiten hatten den Gegenstand durchtränkt und schließlich alles miteinander verkleben lassen. Es fühlte sich wie ein kleines Notizbuch an, verformbar, weshalb sie das Ding erst einmal ruhen ließ. Es durfte an Ort und Stelle bleiben, bis sie im Labor war und alles in vernünftigem Licht untersuchen konnte.
    »Er? Bist du dir so sicher, dass es ein Mann ist?«
    »Der Anthropologe wird es noch bestätigen müssen, aber der Leichnam hat diese Ausbuchtung an der Rückseite des Schädels, die typisch ist für Männer.«
    Frank befühlte das blonde Haar am Hinterkopf des Toten und sagte: »Wie lange liegt er schon hier?«
    »Sehr lange. Mehr kann ich im Moment noch nicht sagen.« Selbst jetzt nach der Entdeckung und bei näherer Untersuchung roch die Leiche nicht unangenehm, höchstens ein klein wenig modrig. Die widerwärtigen Gerüche, die während des Verwesungsprozesses entstanden, hatten sich zusammen mit dem Fleisch längst in Luft aufgelöst. Theresa zog vorsichtig an dem Ledergürtel, hoffte auf eine Geldbörse in der hinteren Hosentasche. Er war kaum stabiler als die Hose, auch wenn die Stahlschnalle nur eine Politur nötig gehabt hätte. Ein dreieckiges Objekt, das bislang unter dem Körper verborgen gewesen war, kam mit dem Gürtel zum Vorschein.
    »Ist das eine Pistole?«, fragte Frank.
    Theresa ließ den staubigen Gegenstand aus seiner Hülle gleiten und drehte ihn unter der Lampe hin und her. »Eine .38 Smith & Wesson.«
    »Lass mich mal sehen.«
    »Versuch nicht, sie zu öffnen oder gar zu entladen«, ermahnte sie ihren Cousin, bevor sie ihm die Waffe reichte. Egal, wie vertraut ein Cop mit den Prinzipien der Forensik war, der Reflex, eine Waffe zu sichern, war zu tief verwurzelt.
    »Ich weiß, ich weiß.« Auch er hielt die Pistole unter eine der Halogenleuchten.
    Theresa nutzte den Moment, um einen überaus wichtigen Gegenstand aus ihrer Ausrüstung hervorzukramen – die Notfallhaarspange. Die roten Locken fielen ihr nämlich jedes Mal vors Gesicht, wenn sie auf die Leiche hinabsah. Außerdem musste sie sich bewegen, um warm zu bleiben, bis die Sonne den feuchten Nebel vertrieben hatte. Trauertauben seufzten, das Rauschen der vorbeifahrenden Autos auf der Interstate 490 war aus der Ferne zu hören. »Wo steckt denn deine Partnerin heute?«
    »Sanchez ist im Rathaus und forscht nach der Geschichte dieses Gebäudes.«
    Sie war nie zu beschäftigt, um ihren Cousin zu necken. »Ihr seid jetzt seit sechs Monaten Partner, und du nennst sie immer noch nicht
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