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Flammen um Mitternacht

Flammen um Mitternacht

Titel: Flammen um Mitternacht
Autoren: Stefan Wolf
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Üsküd war
auch dabei.
    Wieder saßen
sie zu viert in Mustafas bescheidenem Zimmer, wie gestern, als Gunter die Runde
bereichert hatte.
    Locke hatte
Mustafa für seine Mitarbeit gedankt, und seinem offenen Gesicht war anzusehen,
wie wohl ihm das tat.
    Locke saß
Üsküd gegenüber und war ärgerlich auf sich selbst. Sei nicht ungerecht! dachte
sie. Warum denkst du sowas überhaupt. Aber sie konnte das Gefühl nicht beiseite
schieben: eine innere Ablehnung gegen Mustafas Freund.
    Er war ihr
unsympathisch.
    Vorhin,
sicherlich, da hatte sie ihn bedauert. Er war das arme Opfer gewesen. Brutale
Schläger hatten ihn mißhandelt. Er war nur knapp dem Tode entgangen. Aber jetzt
legte er ein Wesen an den Tag, das keinem gefiel. Er gab sich hämisch und
rachsüchtig, und Mustafa fiel seinem Freund mehr als einmal ins Wort. Üsküd
schimpfte auf die Deutschen und die Zustände hier. Nächste Woche ginge er
ohnehin in seine Heimat zurück. Er trank keinen Kaffee, sondern hatte eine
Schnapsflasche mitgebracht. Das heißt, sie enthielt Likör, TÜRKISCH MOKKA, wie
er grinsend zeigte.
    Er trank aus
der Flasche und war bald nicht mehr nüchtern.
    Und dann kam
der Hammer.
    Feixend zog
er die geschlossene Hand aus der Hosentasche. Er hielt die Faust über den Tisch
und sah die andern der Reihe nach an.
    „Wer rät,
was ich hier habe.“

    Locke zuckte
mit den Achseln.
    Tom sagte:
„Ich hab’s gesehen. Ein Klavier.“
    „Nun, zeig’s
schon!“ meinte Mustafa.
    Üsküd
öffnete die Faust und legte einen Ohrring auf den Tisch; ein goldenes Gehänge
in Form einer Acht.
    Am oberen
Teil war das Metall braun gefärbt. Blut.
    „Das...
ist... Petra Fiedlers Ohrring“, sagte Mustafa mit einer Stimme, die nicht ihm
zu gehören schien.
    „Klar!“
Üsküd grinste. „Den habe ich ihr abgerissen, diesem Flittchen. Es stimmt schon,
was sie gesagt hat. Ich war’s. Aber gemerkt hat das niemand. Ihr auch nicht!“
    Tom streckte
die Hand aus, nahm den Ohrring und steckte ihn in die Brusttasche seines
Jeanshemdes. Dann drehte er sich zur Seite, und seine Faust traf Üsküd auf der
Mitte der Stirn.
    Der Stuhl
kippte um. Der Türke fiel auf den Rücken und blieb liegen. Sein Mund rang nach
Luft.
    Tom stand
auf.
    „Ich gehe“,
sagte er. „Und du kommst sicherlich mit, Schatzi. Vielen Dank für die
Einladung, Mustafa. Ich weiß, für seine Gäste kann man nichts. Aber seine
Freunde sollte man sich aussuchen. Gute Nacht.“
    Tränen
liefen Locke übers Gesicht. Tom legte ihr den Arm um die Schultern. Sie gingen
zur Tür hinaus. Mustafa saß wie erstarrt auf seinem Platz.
    Aber bevor
sie die Tür schlossen, hörten sie ihn sagen: „Üsküd, ich will dich nie wieder
sehen. Verschwinde! Ich schäme mich, daß ich dich meinen Freund genannt habe.“
    Locke
schluchzte, als sie die Treppe hinunterstiegen.
    „Tom, ich
bin so enttäuscht.“
    „Ich fühle
genauso.“
    „Dieser
gemeine Kerl! Petra Fiedler tut mir leid. Ich habe sie beschimpft und ihr
unrecht getan.“
    „Das haben
wir alle getan. Aber in bester Absicht. Der Kerl hat uns getäuscht, und alles
sprach für ihn.“
    „Man muß es
sich klarmachen, Tom. Die Ausländer stoßen bei uns auf Ablehnung. Den meisten
wird das Leben schwer gemacht. Aber damit ist nicht festgelegt, daß das alles
Engel sind und die Deutschen die Teufel. Überall gibt es diese und jene, und Ausländer
werden hier genauso oft kriminell wie wir Deutschen. Aber das ist ja ein
anderes Problem — und Ausländerhaß durch nichts gerechtfertigt. Aber nicht
durch Typen wie Üsküd Bursa.“
    Tom nickte.
    Sie traten
vors Haus, und Locke legte die Hand auf den kalten Lenker ihres Mofas.
    Der Mond
schien in die schmale Straße. Es war noch kälter geworden als vorhin.
    „Was machen
wir jetzt, Tom? Mit dem Ohrring?“
    „Was die
Schläger getan haben, Locke, und die Typen an der Theke — bleibt Missetat.
Egal, ob Üsküd schuldig ist oder nicht.“
    „Ja. Und
deshalb, finde ich, sollten wir deren Gewissen nicht nachträglich beruhigen. Es
würde doch nur bedeuten, daß sich der Pöbel bestätigt fühlt und bei nächster
Gelegenheit wieder so handelt: unberechenbar und blutrünstig.“
    Tom zog den
Ohrring aus der Tasche. Wenige Schritte entfernt war ein Gully. Er beugte sich
über die Stahlrippen und ließ den Ohrring hineinfallen.
    „Es ist die
bessere Lösung“, sagte Locke und wischte sich die Tränen weg. „Wir brauchen
Petra Fiedler nicht zu rechtfertigen. Was Mustafa betrifft, hat sie gelogen.
Außerdem wird sie
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