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Flamingos im Schnee

Flamingos im Schnee

Titel: Flamingos im Schnee
Autoren: Wendy Wunder
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diesen Mann«, seufzte Alicia, als sie ins Auto stieg und ihm einen letzten Kuss zuwarf. Izanagi schlurfte mit den Händen in den Hosentaschen davon. Er würde das Haus hüten, solange sie weg waren.
    »Du hast eine seltsame Auffassung von Liebe.«
    »Was weißt du denn darüber?«
    »Nichts, offensichtlich. Wo lang?« Cam würde die erste Teilstrecke fahren.
    »Bieg nach links ab.«
    »In südliche Richtung? Soweit ich mich an meinen Geografieunterricht erinnere – und zugegeben, ich habe viel verpasst –, liegt Maine im Norden?«
    »Wir müssen kurz bei Tom vorbeischauen.«
    »O nein, wirklich?« Cam wollte ohne Umwege los, bevor sie ihren Entschluss bereute.
    »Er soll uns den Weg genauer beschreiben. Dieser Ort ist sonst kaum zu finden, nicht mal mit GPS . Und du kennst doch den Spruch: Von hier aus kommen Sie nicht dorthin . Die Leute in Maine sind wirklich so. Niemand wird uns dort oben weiterhelfen.«
    Tom wohnte inmitten eines wilden Dschungels aus Mangroven, Weinstöcken und Palmen. Man brauchte praktisch eine Machete, um sich zu seiner Haustür durchzuschlagen. Drinnen – es war schwer, zwischen drinnen und draußen zu unterscheiden – tummelten sich Mäuse und Salamander und die berühmten fünf Iguanas, die frei herumliefen. Im Fernsehen plärrte gewöhnlich irgendeine Dokusoap, und nur ein kleines Messingschild neben der Türklingel deutete darauf hin, dass hier jemand ein Geschäft betrieb: T HOMAS L ANE, K RÄUTERHEILKUNDIGER, H EILER, S CHAMANE, H ÄUPTLING.
    »Ladys«, begrüßte er sie an der Tür in einem blaugrünen Batikhemd und mit einem Joint in der Hand. »Passivdröhnung?«, fragte er und wollte den Rauch in Alicias Gesicht blasen.
    »Nein, danke.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich muss später noch fahren.«
    »Wie du willst«, sagte er. Seine schulterlangen grauen Haare waren heute ausnahmsweise mal gewaschen, und seine Jeans war fleckenlos. Er sah entspannt aus; seine blassblauen Augen wirkten weniger blutunterlaufen als sonst. Vielleicht gab es einen neuen Menschen in seinem Leben – oder ein neues Kraut , dachte Cam.
    »Was kann ich für euch tun?«, fragte er. »Campbell, du siehst super aus. Hast du die Aprikosenkerne genommen, wie ich dir geraten habe?«
    »Nö, eher nicht«, erwiderte sie und stieg über einen reglosen Iguana hinweg, der sich in einem Sonnenfleck aalte.
    »Cam, du solltest dich den unendlichen Möglichkeiten des Universums öffnen. Wir können dir nicht helfen, wenn du dir nicht selbst helfen willst.«
    »Ja, schon gut. Kannst du uns jetzt einfach den Weg beschreiben?« Cam fing einen seltsamen Geruch von dem Trank auf, der in einem schmutzigen Topf auf dem Ofen vor sich hin brodelte.
    »Nach Promise?«, fragte Tom.
    »Äh, Promise?« Cam hörte diesen albernen Namen zum ersten Mal.
    »Ja, nach Promise«, bestätigte Alicia.
    »O Cam, ich bin ja so stolz auf dich, weil du diesen Schritt wagst! Passivdröhnung?«, fragte er und beugte sich dicht zu ihr.
    »Nein, bloß nicht. Puste woandershin.«
    Tom hatte einen komischen sauren Mundgeruch, weil er sich vorwiegend von Gerbers Miniknabberwürstchen er nährte. Er behauptete, sie würden das Verdauungssystem weniger belasten, und aß sie gläserweise, um anschließend die leeren Gläser in deckenhohen Regalen ordentlich zu stapeln und Kräuter darin aufzubewahren. Die Gläser waren mit Pulvern, Blättern, Wurzeln, Tees und anderen Zaubertrankzutaten gefüllt, und keines davon war beschriftet. Sie stellten eine Art skurrilen Plan von Toms Gehirn dar, denn er wusste genau, wo sich jedes Kräutlein befand. Die Wegbeschreibung zu finden war eine ganz andere Sache.
    »Lasst mich überlegen. Beschreibung, Beschreibung, wo kann die sein?« Tom blätterte durch ein paar der Bücher, die auf dem Wohnzimmerfußboden, dem Esstisch und den Stühlen verstreut lagen.
    »Promise ist wirklich ein magischer Ort, Campbell, geradezu verwunschen. Es ist wunderschön dort.«
    »Was du nicht sagst. Warst du schon mal da, Tom?«
    »Hm, nein. Aber alle sagen, es ist das reinste Paradies.«
    »Das Paradies – in Maine?«
    »Ja, in Maine. Okay, hier haben wir’s.« Tom kramte eine alte, zerknitterte Tüte von Dunkin’ Donuts hervor, die total vollgekritzelt war. »Hier ist die Karte. Die Straße nach Promise beginnt hinter dem Dunkin’ Donuts an der Route 3, und man kann sie nur vom Drive-in-Schalter aus sehen. Es heißt, es bringe Glück, einen Whoopiekuchen und eine Schokomilch zu bestellen, bevor man in die Stadt fährt. Die Nummer
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