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Flamingos im Schnee

Flamingos im Schnee

Titel: Flamingos im Schnee
Autoren: Wendy Wunder
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vorbeisausten. Es erstaunte sie jedes Mal wieder, dass es noch etwas Heißeres gab als die Sommerhitze in Florida. Sie überließ Jackson die Führung und achtete darauf, immer genau einen Schritt hinter ihm zu bleiben. Normalerweise war sie nicht so zurückhaltend. Zurückhaltung lag ihr nicht, aber es war so nett von Jackson, sich als ihr Date zur Verfügung zu stellen, dass sie seinem Ego keinen Dämpfer aufsetzen wollte.
    Obwohl sie gerade mit Feuer jonglierte, fiel ihr auf, dass Jackson kräftiger geworden war und seine Oberschenkelmuskeln stark und wohlgeformt unter seinen Cargoshorts hervortraten. In ein paar Jahren würde er toll aussehen in seinem samoanischen Lava-Lava-Rock.
    Die Musik hörte schließlich auf, und alle gingen nach und nach, um sich auf die richtige Show um halb sechs vorzubereiten. Vorher blieb jede Familie noch an Cams Tisch stehen und gab ihr ein Geschenk, das in ein Siapo eingewickelt war, das heilige samoanische Tuch, gemacht aus Baumrinde und mit einem speziellen, familieneigenen Muster bedruckt. Die Tücher sollten Leben spendende Eigenschaften haben – der Legende nach konnte sogar jemand von den Toten auferstehen, wenn man seine Knochen darin einwickelte – und auch Wunderheilungen bewirken, was Cam ziemlich lächerlich fand. Trotzdem nahm sie sie alle höflich entgegen und versprach den Leuten, damit zu schlafen. Das Siapo erinnerte sie an ihren Vater. Weil er sich nicht mehr hatte erinnern können, wie das Muster seiner Familie aussah, hatte er eines mit dem Gesicht von Micky Maus darauf machen lassen.
    »Bist du bereit?«, fragte Jackson. Er steckte wieder in seinem Tigger-Kostüm und hielt den Kopf unter dem rechten Arm.
    »Du lässt das an?«, fragte Cam.
    »Ich muss es zurück zur Kostümabteilung bringen und kann es ja nicht einfach in der Bahn in einer Tüte mit mir herumtragen. Die Kinder wären am Boden zerstört.«
    »Gott bewahre«, sagte Cam. »Okay, wir können los.« Jeder Angestellte hier bekam einen Ausweis für seine Familie, mit dem man jederzeit gratis den Vergnügungspark besuchen konnte. Das war wie die goldene Eintrittskarte in Charlie und die Schokoladenfabrik und eine ziemlich tolle Sache, wenn man so etwas als Kind hatte, musste Cam zugeben.
    Sie gingen durch den üppigen tropischen Regenwald in der Hotellobby, wo es sogar einen Wasserfall gab, und hinauf zu dem modernen Betonbahnsteig der Einspurbahn, die durch das Hotel fuhr. Das Gleis und der hypermoderne Zug standen in einem krassen Gegensatz zu den Naturhölzern, den Pflanzen und dem traditionellen Kunsthandwerk, die das Dekor des Polynesian Hotels ausmachten. Es gehörte zum Konzept von Disney World, eine Welt zu schaffen, in der Altes und Neues unvermittelt nebeneinander existierten, und nirgends im gesamten Park trat das mehr zutage als bei der Einspurbahn-Haltestelle in diesem Hotel.
    Cam stand mit Jackson auf dem Bahnsteig und sah zu, wie er von sonnenverbrannten Kindern belagert wurde, die sich mit Tigger fotografieren lassen wollten, als ihr Handy eine SMS ankündigte.
    Lily: Glückwunsch zum Schulabschluss! Wo bist du?
    Cam: Hab ein Date.
    Lily: J !!! Wenn du dich nicht wenigstens ordentlich befummeln lässt, bring ich dich um.
    Cam: Befummeln? Wie alt bist du, 11? Wer sagt denn noch befummeln?
    Lily: Mach’s einfach.
    Cam klickte den Text weg, und Jackson jagte zum Spaß ein paar Kinder davon. Er zog Cam in seine weichen Pelzarme, hielt sie schräg nach hinten und tat so, als würde er ihr einen feuchten Tigger-Schmatz auf den Mund drücken, was ein fröhliches Kinderkichern hervorrief. Cam fand es toll, wie entschlossen Jackson handelte, wenn er verkleidet war.
    Er posierte noch für ein paar mehr Fotos mit den Kindern, und Cam machte sich einen Spaß daraus, immer auch ein Stück von sich auf das Bild zu schmuggeln, zum Beispiel die Finger zum V-Zeichen über Tiggers Kopf zu strecken. Doch als die letzte Kamera blitzte, merkte sie auf einmal, wie ihr schwindelig und übel wurde. Sie kämpfte darum, bei Bewusstsein zu bleiben. Das Grün des Regenwaldes rückte immer näher auf sie zu, und sie bekam einen Tunnelblick. Sie sah zu den geschnitzten Deckenplatten aus Teakholz und Mahagoni hinauf, deren Muster sich ineinander verschoben und vor ihren Augen tanzten.
    »Hey, Jackson«, sagte sie schwach, aber der war noch mit seinen Tigger-Fans beschäftigt.
    »Jackson«, rief sie lauter. »Ich muss nach Hause. Kannst du mich fahren?«, brachte sie noch heraus, ehe sie einen furchtbaren Stich in
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