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Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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ich sag’s dir noch mal: Ich hab ihn nich gesehen, und ich hab nich vor, dir zu helfen.«
    »Hör zu, Tante Lemon, ich will Tee Beau nichts Böses. Er hat mir das Leben gerettet. Ich bin hinter dem Weißen her. Aber früher oder später wird Tee Beau ja doch gefaßt werden. Wär’s dir da nicht lieber, wenn ich ihn zuerst finde, bevor ihm am Ende noch einer was tut?«
    Sie trat zur Fliegentür und öffnete sie. Ihr Kleid war vom vielen Waschen nahezu farblos, und es hing formlos wie ein Sack an ihrem Körper und den welken Brüsten.
    »Meinst du, weil ich ein altes Niggerweib bin, kannst du mir die Hucke vollügen?« sagte sie. »Wenn du meinen Jungen fängst, bringen sie ihn ins Red-Hat-Haus, schnallen ihn dort an den Stuhl und machen eine Metallkappe auf seinem kleinen Kopf fest. Dann verhüllen sie sein Gesicht, damit sie seine Augen nich sehen müssen. Und dann dürfen all die Leute zusehen, wie mein kleiner Junge stirbt, wie der Strom seinen Körper verbrennt. Ich war in Camp One, Mister Dave, als da noch Frauen hingeschickt worden sind. Ich hab gesehn, wie sie einen weißen Mann zum Red-Hat-Haus gebracht haben. Sie haben ihn den ganzen Weg vom Auto am Boden entlanggeschleift, wie einen Hund in Ketten. Dann haben sich die ganzen Leute hingesetzt wie im Baseballstadion und haben zugesehen, wie dieser Mann gestorben ist.«
    Sie hob die Blechdose an die Lippen und spuckte erneut hinein. Dann griff sie nach ihrem Bügeleisen und nahm sich ein gestärktes weißes Hemd vor. Sie roch nach getrocknetem Schweiß, Copenhagen-Tabak und der Hitze, die vom Bügelbrett aufstieg. Das Papier von Zeitungen und Illustrierten war in einer Schicht auf die Wände ihres Hauses geklebt worden, darüber dann einzelne, nicht zueinander passende Streifen von Tapete mit Wasserflecken. Den Boden bedeckte ein Teppich, dessen Fasern sich wie welliges Stroh in ihre Einzelteile aufgelöst hatten, und die wenigen Möbel, die sie besaß, sahen aus, als seien sie Stück für Stück von dem Müllabladeplatz angeschleppt worden, wo Tee Beau früher arbeitete.
    Ich setze mich auf einen einfachen Stuhl mit gerader Lehne, der neben ihrem Bügelbrett stand.
    »Ich kann dir zwar nichts versprechen«, sagte ich, »aber wenn ich Tee Beau finde, will ich versuchen, ihm zu helfen. Vielleicht können wir den Gouverneur dazu bringen, sein Urteil umzuwandeln. Tee Beau hat einem Polizisten das Leben gerettet. Das könnte sehr wichtig sein, Tante Lemon.«
    »Das Leben dieses Zuhälters war schon wichtig genug.«
    »Was?«
    »Hipolyte Broussard war ein Zuhälter, und er wollte Tee Beau auch dazu machen.«
    »Ich hab nie gehört, daß Broussard etwas mit Prostitution zu tun hatte.«
    »Die Weißen hören das, was sie hören wollen.«
    »In der Akte stand auch nichts davon. Wem hast du davon erzählt?«
    »Ich hab’s niemandem erzählt. Niemand hat mich gefragt.«
    »Wo war sein Revier, Tante Lemon?«
    »In der Kneipe da an der Ecke«, sagte sie und nickte mit dem Kopf in die Richtung. »Und draußen in den Lagern, wo die Farmarbeiter untergebracht sind.«
    »Und er wollte, daß Tee Beau da mitmacht?«
    »Tee Beau hat immer die Mädchen aus der Kneipe ins Lager fahren müssen. Tee Beau hat gesagt: ›Ich kann das nich länger tun, Hipolyte.‹ Darauf hat Hipolyte gesagt: ›Du wirst es tun, weil ich sonst nämlich deinem Bewährungshelfer stecke, daß du mich bestohlen hast, und dann kommst du wieder in den Knast.‹ Und es hat keine Rolle gespielt, ob Tee Beau jetzt gehorcht hat oder nich. Hipolyte hat ihm das Leben zur Hölle gemacht, ihn gepiesackt bis zum Gehtnichtmehr, vor allen Leuten, bis er nur noch heulend heimkam. Wenn der Mann nich schon tot war, würd ich ihn selbst umbringen.«
    »Tante Lemon, warum hast du das niemandem gesagt?«
    »Ich sag’s dir doch, sie haben mich nich gefragt. Meinst du etwa, die Leute im Gericht gäben einen feuchten Dreck drauf, was ’n altes Niggerweib sagt?«
    »Du hast es keinem gesagt, weil du dachtest, daß es Tee Beau nur schadet, daß die Leute dann nur noch überzeugter von seiner Schuld gewesen wären.«
    Draußen begann es zu regnen. Der behelfsmäßige Windschutz am Seitenfenster wurde von einem Stock hochgehalten, und in dem grauen Licht hatte ihre Haut die Farbe einer abgegriffenen Kupfermünze. Sie fuhr mit dem Eisen ruckartig über das Hemd, das sie bügelte.
    »Über diese Kneipe an der Kreuzung könnt ich dir ’ne Menge erzählen, über die Voodoohexe, die den Laden mit Hipolyte zusammen führt, und was
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