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Five Stars 02 - Wildes Verlangen

Five Stars 02 - Wildes Verlangen

Titel: Five Stars 02 - Wildes Verlangen
Autoren: Lesley Ann White
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Lebens. Ich täuschte mich. Eines Abends saß er mit dem Laptop auf dem Schoß auf Freds Terrasse. Das Wetter hatte sich verschlechtert, dunkle Wolken hingen über der Bucht und der Fahnenmast von Waitangi war im Dunst mehr zu erahnen, denn zu sehen. Auf dem Tisch lag ein Computerausdruck, den ich gut kannte, weil wir ihn oft gemeinsam angeschaut hatten: Daniels Bucket List, die Aufstellung der Orte, die er noch besuchen und der Dinge, die er noch unternehmen wollte. Die Hälfte der Notizen war mit einem dicken, schwarzen Strich bis zur Unkenntlichkeit durchgestrichen.
    »Was tust du da«, fragte ich, und weil ich die Antwort ahnte, stieg eine leichte Übelkeit in mir auf.
    »Ich plane mein Leben neu. Viele Orte, die ich unbedingt noch besuchen wollte, musste ich leider streichen.«
    Ich schaute ihn fragend an.
    »Keine Dialyse«, brummte er und ich ärgerte mich, dass ich darauf nicht selbst gekommen war. Ich nahm die Liste zur Hand. Gestrichen waren Dinge wie »nach Bhutan reisen und in einem Kloster übernachten«, »mit Linienschiffen den Mekong von der Quelle bis zur Mündung befahren«, aber auch »Hubschrauber fliegen lernen«.
    »Warum solltest du nicht lernen, einen Helikopter zu fliege?«
    »So viel Zeit habe ich nicht mehr.«
    Ich wusste nicht, was mich in diesem Moment mehr erschreckte, die Aussage an sich oder dass er den Satz ohne jede Wehmut ausgesprochen hatte. Daniel sah mich über den Rand seiner Lesebrille an.
    »Setz dich, Violetta.«
    Er klopfte auf das Sofa neben sich und ich kuschelte mich in seinen Arm.
    »Wir müssen darüber reden, wie wir die nächsten Wochen gestalten. Wir sollten nicht einfach weiter ins Blaue leben, das würden wir am Ende bereuen, da bin ich sicher.«
    Er legte den Laptop zur Seite und deutete auf die Liste.
    »Das meiste auf meiner Löffelliste ist nicht so wichtig. Allerdings gibt es ein paar Orte, bei deren Besuch ich mir vorgenommen habe, sie später noch einmal mit der Frau aufzusuchen, mit der ich mein Leben teilen möchte.« Er beugte sich vor und nahm die Liste vom Tisch. »Ich habe sie unterstrichen.«
    Ich war erstaunt, dass es nur drei Punkte waren:
    Santorini und Paris kannte ich selbstverständlich, vom dritten Ort hatte ich noch nie etwas gehört. »Wo liegt Aitutaki?«
    Daniels Augen strahlten, als er antwortete. »Es ist eine Insel der Cook Islands, etwa 3000 Kilometer von hier entfernt.«
    »Aber das ist doch nur ein Katzensprung«, sagte ich.
    »Aber leider unmöglich.« Das Strahlen verschwand aus Daniels Gesicht, als hätte er es ausgeknipst. Traurig sagte er: »Aitutaki ist eine der größten Lagunen der Südsee und der vielleicht schönste Platz auf diesem Planeten, ein wirkliches Paradies, nur leider ohne Dialysestation.«
    »Aber wenn es doch nur 3000 Kilometer sind, dann könnten wir doch hinfliegen, einen Tag bleiben … .«
    Er schüttelte langsam den Kopf. »3000 Kilometer sind es bis zur Hauptinsel Rarotonga, dort müssten wir umsteigen und eine Stunde weiter fliegen. Wenn zu viel Wind ist - und das kommt gerade in dieser Jahreszeit häufiger vor - fallen die Flüge aus.«
    Daniel nahm mir die Liste aus der Hand, auf die ich verkrampft starrte, als fände ich dort die Lösung, wie wir diese Reise dennoch unternehmen könnten. »Ich habe selbst hin und her überlegt, Violetta, aber es geht einfach nicht.«
    Er schaute mir schweigend in die Augen und ich spürte, dass ihm etwas auf der Seele brannte, er aber mit sich kämpfte, ob er darüber sprechen sollte. Ich streichelte über seinen Arm. »Du kannst es mir sagen, Liebster.«
    »Wie gut du mich kennst.« Er schluckte und holte tief Luft, bevor er zu sprechen begann.
    »Ich habe Aitutaki vor zehn Jahren besucht, und wenn irgendwo auf dieser Erde das Paradies liegt, dann dort. Deshalb habe ich mir zwei Dinge vorgenommen: Mit dem Menschen wiederzukommen, der mir am meisten bedeutet … .«
    Er machte eine Pause, als wäre er sich immer noch nicht sicher, ob es klug war, weiterzusprechen. Ich ermunterte ihn: »Und was ist das Zweite?«
    Die nächsten Worte presste er schnell heraus, als hätte er Angst, dass ihm dabei die Stimme versagen könnte. »Ich möchte, dass nach meinem Tod meine Asche in der Lagune verstreut wird.«
    Zum ersten Mal seit zwei Wochen sprach er das Wort Tod aus und zum ersten Mal überhaupt verband er damit eine, wenn auch unausgesprochene, Bitte: Ich sollte auf dieses Südseeatoll fliegen und seine Asche ins Meer streuen. Er schaute mich ängstlich und erwartungsvoll
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