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Finn und der Kristall der Zeit (German Edition)

Finn und der Kristall der Zeit (German Edition)

Titel: Finn und der Kristall der Zeit (German Edition)
Autoren: Martina Konrad
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Zöpfe flechten konnte.
    Sie hatte Fräulein Winter schwer seufzen gehört, und als die Männer sich verabschiedet hatten, hatte sich die Waisenhausleitern umgedreht, hatte die anderen Kinder ins Bett geschickt und nur die alte Kaja, die im Waisenhaus als Köchin und Mädchen für alles arbeitete, und sie selbst zu sich gerufen. Kaja hatte in die Küche gehen und ein Fläschchen mit Milch wärmen müssen, während Fräulein Winter ihr, Rosie, befohlen hatte, mit ihr in ihr Büro zu kommen, wo sie das kleine Bündel in den Arm gedrückt bekommen hatte.
    „Es ist ein Junge, und er ist erst ein paar Wochen alt“, hatte Fräulein Winter zu ihr gesagt, und noch mehr darüber, dass sie jetzt die Verantwortung für dieses kleine Wesen habe, dass sie, als seine große Schwester, dafür zu sorgen habe, dass der Kleine geliebt würde und dass es ihm gut gehe. Rosie hatte kaum hingehört. Der kleine Stich der Enttäuschung darüber, dass ihr eigenes kleines Geschwisterchen nun doch ein Junge war, war fast sofort einem fassungslosen Glück gewichen, als das Baby seine Augen geöffnet und sie nachdenklich und mit einem fast wissenden Blick gemustert hatte.
    „Wie klug es ist“, hatte Rosie begeistert ausgerufen, und dann bemerkt, dass die Waisenhausleiterin nichts mehr sagte. Als Rosie zu ihr hochgesehen hatte, war ihr aufgefallen, dass Fräulein Winters Mundwinkel zuckten.
    „Nun, dann wirst du wohl besonders darauf achten müssen, dass dein kleiner Bruder seine Gaben nicht vergeudet und immer schön seine Hausaufgaben macht“, hatte sie mit einem lustigen Zwinkern in den Augen gesagt.
    Und daran hatte Rosie sich dann, seit Finn in die Schule kam, gehalten.
     
    Rosie musterte Finn mit einem eigenartigen Blick. Finn zog unbehaglich an dem Bündchen seines fadenscheinigen Pullovers. Ihm war immer noch nicht ganz klar, was er angestellt haben konnte – die Geschichte mit den Äpfeln von Bauer Pape war nie herausgekommen, und soweit er sich erinnern konnte, war sonst seitdem  nichts außergewöhnlich Schlimmes vorgefallen.
    Nicht, dass man da sicher sein konnte. Rosie stellte sich manchmal wirklich ziemlich an, so zum Beispiel, wenn er seine Hausaufgaben ihrer Meinung nach nicht sorgfältig genug machte oder auch wenn – Gott bewahre – seine Kleidung nicht sauber genug war. Was sie, das musste er zugeben, beinahe nie war. Schließlich gab es allerhand wirklich wichtige Dinge zu tun, bei denen man eben nicht anders konnte, als dreckig zu werden – in der alten Burgruine zu spielen zum Beispiel, auf dem Bauch unter einem Zaun hindurch zu robben, oder auch eine kleine Prügelei mit einem Schulkameraden, der irgendwelche abfälligen Bemerkungen über das Waisenhaus und eventuell sogar Fräulein Winter gemacht hatte.
    Auf Fräulein Winter ließ Finn, wie alle Kinder des Waisenhauses, nichts kommen. Fräulein Winter war prima (auch wenn man „prima“ nicht sagen durfte). Sie bemühte sich, ihren Schützlingen so etwas wie ein Heim zu schaffen, und wenn ihre Arme auch nicht ausreichten, um alle ihre Kinder zu umarmen, so war man doch stolz wie ein Soldat, dem ein Orden übereicht wurde, wenn sie einem liebevoll durch das Haar streichelte .
    Fräulein Winter selbst war es gewesen, die ihre Unzulänglichkeit erkannte, ihre Liebe gleichmäßig und gerecht auf alle ihre Schützlinge zu verteilen, und so hatte sie das System eingeführt, dass jedes ältere Kind ein jüngeres Geschwisterchen bekommen sollte, um das es sich zu kümmern hatte. So würde, hatte sie sich gedacht, den kleinen Kindern genug Liebe zukommen, während die Älteren lernen würden, wie es war, für einen anderen Menschen verantwortlich zu sein.
    Soweit Finn wusste, war der Stadtrat von Hohenstadt, welcher auch ihrem kleinen Waisenhaus vorstand, von derart neumodischen Ideen keineswegs angetan gewesen, aber das war Fräulein Winter ziemlich egal – sie tat, was sie für richtig hielt, und soweit es Finn betraf, war er mit dieser Regelung mehr als glücklich – er liebte seine große Schwester Rosie, auch wenn sie, seiner Meinung nach, zu viel Wert auf saubere Kleidung und ordentlich gemachte Hausaufgaben legte.
    Und auch, wenn sie ihn, wie jetzt gerade, so merkwürdig ansah, dass man gar nicht wusste, ob man etwas angestellt hatte oder nicht.
    „Wirst du gleich schimpfen?“, fragte Finn nervös.
    Rosies musste ein Lächeln unterdrücken.
    „Hast du denn etwas angestellt?“, fragte sie mit hochgezogenen Augenbrauen.
    „Nein, ich war es nicht, ich
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