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Filou: Ein Kater sucht das Glück - Roman (German Edition)

Filou: Ein Kater sucht das Glück - Roman (German Edition)

Titel: Filou: Ein Kater sucht das Glück - Roman (German Edition)
Autoren: Sophie Winter
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hätten beleidigen können. Über die Grande Rue hatte man Girlanden mit vielen bunten Lichtern gehängt. Vor dem Café stand eine mit glitzerndem Spielzeug geschmückte Tanne. Der Anblick einer am grünen Zweig schwingenden roten Kugel löste ein unwiderstehliches Zucken in seinen Pfoten aus, er konnte sich nur mit Müh und Not davon abhalten, hinüberzulaufen und die Kugel mit gezielten Tatzenhieben zu erlegen.
    Doch so etwas würde gewiss unangenehm auffallen. Denn neben dem Baum stand ein Tisch, und vor dem Tisch war ein Mann mit einer roten Zipfelmütze auf dem Kopf und schöpfte aus einem dampfenden Topf heiße Flüssigkeit in bunte Becher. Um ihn herum halb Beaulieu, jeder mit einem dieser Becher in der Hand. Darin musste ein Zaubertrank sein, denn die Menschen wirkten entspannt und bester Laune.
    Er sehnte sich danach, einfach über die Straße zu laufen und sich dazuzustellen, um endlich nicht mehr so schrecklich allein zu sein.
    Und dann erblickte er eine bekannte Gestalt, einen Mann in Kordhose und Stiefeln, der einen Becher in der Hand und eine Frau im Arm hielt. Frederick und Ivonne. Also konnte Marla nicht weit sein. Filou reckte sich und machte den Hals ganz lang, bis er sie endlich sah. Sie trug eine bunte Mütze und lachte mit geröteten Wangen. Was hätte er darum gegeben, zu ihr laufen und sich an ihre Beine schmiegen zu dürfen!
    Er schaute hinüber zu den dreien, bis ihm die Augen schmerzten. Mit gesenkter Rute und hängenden Ohren schlich er endlich davon und trabte durch die düstere Ruelle des Camisards nach Hause. Vor dem Kellerfenster zögerte er. Was sollte er hier, in seiner leeren, klammen Heimstatt? Ohne lange zu überlegen, lief er über die Straße, hinunter zum Bach und hinüber zu den Gemüsegärten, auf denen nur noch ein paar einsame Kohlstrünke standen. Und dann weiter, dorthin, wo er viel zu lange nicht mehr gewesen war, zu seinem Ausguck auf dem Roche du Diable.
    Hier oben ging ein leichter Wind. Er hielt die Nase in die Brise und betrachtete Beaulieu, das ihm umso schöner vorkam, je einsamer er sich fühlte. In allen Häusern brannte warmes Licht, auch dort, wo sonst schon früh die Läden vor die Fenster geklappt wurden. Die Lichterketten über der Grande Rue funkelten und blinkten lockend zu ihm hinüber, auch der Kirchturm war mit roten Lichtern geschmückt, und von überallher kam sanfte Musik.
    Auf der Terrasse eines der Häuser am Dorfrand stand eine Frau und hängte glitzernde Kugeln an einen Tannenbaum. Zwei Häuser weiter stand ein Hund am Fuß einer Leiter und kläffte den Mann an, der auf der obersten Sprosse stand, um einen großen Stern an der Hauswand anzubringen. Überall festliche Stimmung – nur die Rue Basse lag im Dunklen. In der Ruine, in der er seine Kellerbleibe hatte, wohnte niemand. Und im Haus von Ma Dame schien nun auch niemand mehr zu wohnen. Sie lebe jetzt in einem Pflegeheim, hatten sich zwei Frauen vor dem Bäcker erzählt. Was wohl aus der Glückskatze geworden war? Aus irgendeinem Grund klopfte ihm das Herz, wenn er an sie dachte. Die Nachbarin wird sie füttern, dachte er. Sie hat es gewiss gut und ganz bestimmt besser als ich.
    In diesem Moment strichen die Lichtkegel von Scheinwerfern die Rue Basse entlang. Ein Lastwagen fuhr heran und hielt vorm Haus von Ma Dame. Drei Männer stiegen aus und gingen hinein. Bald waren alle Zimmer hell erleuchtet.
    Filou beobachtete, wie die Männer mit viel Gelächter und lauten Rufen Möbel aus dem Haus der alten Dame trugen: Tisch und Stühle, eine Kommode, eine Anrichte, ein Schrank. Bilder. Einen Spiegel. Kisten und Kasten.
    Ihm wurde bang. Wenn Menschen ihr Haus ausräumten, kamen sie nicht zurück. Die alte Dame nahm also Abschied. War sie tot? Würde nun auch dieses Haus leer stehen, wie so viele Häuser Beaulieus?
    Und was war mit Josephine? War sie ins Pflegeheim mitgegangen? Und sie war doch schwanger gewesen? Was war mit ihren Kleinen?
    Als die Männer endlich fertig waren und der Lastwagen fortfuhr, lag die Rue Basse wieder im Dunklen. Auch anderswo waren die Lichter erloschen. Die Girlanden über der Grande Rue leuchteten und blinkten nicht mehr, und es lag auch keine Musik mehr in der Luft. Nur der Duft von erkaltetem Holzfeuer zog zu ihm herauf und kitzelte ihn in der Nase.
    Zeit, nach Hause zu gehen. Geschmeidig sprang er den Berg hinunter und bog in die Rue Basse ein, wo er Kurs auf sein Kellerloch nahm. Als er näher kam, sah er ein Tier auf dem Fenstersims hocken. War Lucrezia
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