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Fiasko

Fiasko

Titel: Fiasko
Autoren: Stanislaw Lem
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eine Ausflucht zu suchen. Er wußte jedoch, daß das ausgeschlossen war. Allenfalls ein Grünschnabel hatte sich so etwas leisten können. Er frottierte sich ordentlich ab, machte das Bett und ging, bereits fertig angekleidet, auf die Suche nach Gosse. Ihn begann auf einmal etwas zu treiben, immerhin mußte er sich noch mit dem unbekannten Modell vertraut machen, ein bißchen trainieren und sich die angemessenen Bewegungen einprägen.
       Gosse war nirgends zu finden. Vom Sockel des Kontrollturms, durch Tunnel mit diesem verbunden, erstreckten sich Gebäude nach zwei Seiten. Die Lokalisierung des Kosmodroms war Ergebnis eines Versehens oder eines gewöhnlichen Irrtums. Der unbemannten Erkundung zufolge sollten sich unter diesem einstmals vulkanischen Tal, einem von den seismischen Krämpfen des Titan emporgeblähten alten Kraterrand, Erzlagerstätten befinden. Man brachte also Maschinen und Menschen hierher und begann faßähnliche Wohnkomplexe für die Bergmannschaften zu montieren, als Nachrichten eintrafen, einige hundert Meilen weiter dehnten sich unwahrscheinlich reiche und leicht abzubauende Uranlager aus. In der Verwaltung des Projekts kam es zu einer Spaltung. Die einen wollten das Kosmodrom aufgeben und im Nordosten alles von vorn beginnen, die anderen blieben dabei, nur der hiesige Ort käme in Frage, die Oberflächenlagerstätten jenseits der Depression seien flach und demnach wenig ergiebig. Die Anhänger einer Liquidierung des ersten Brückenkopfes bezeichnete jemand einmal als Leute, die auf der Suche nach dem heiligen Gral seien, und seither war dieser Name an dem Gebiet der Tagebauarbeiten haftengeblieben.
       Das Kosmodrom war schließlich weder aufgegeben noch ausgebaut worden, es kam zu einem faulen Kompromiß, erzwungen durch einen Mangel an Kräften und eigentlich an Kapital. Obwohl die Betriebswirtschaftler x-mal vorrechneten, daß es auf längere Sicht rentabler sei, den Landeplatz im alten Krater zu schließen und die Arbeit an einem Ort, dem Gral, zu konzentrieren, siegte die Logik des Provisorischen. Übrigens konnte der Gral lange keine größeren Raumschiffe aufnehmen, während der Roembden-Krater (so hieß er nach seinem Entdecker, einem Geologen) weder Über ein eigenes Reparaturdock noch über Portalkräne zum Verladen oder modernste Geräte verfügte. Es gab einen ewigen Streit, wer wem diene und wer was davon habe. Wie es hieß, glaubte ein Teil des Vorstands nach wie vor an Uran unter dem Krater, man stellte auch Probebohrungen an, die aber nicht vorankamen, weil der Gral, kaum daß ein paar Leute und Kräfte hier eintrafen, sofort bei der Direktion intervenierte und alles zu sich hinüberholte, so daß die Gebäude erneut verödeten und die Maschinen verlassen zwischen den düsteren Wänden des Roembden stehenblieben. Gleich den anderen Frachtfliegern hielt sich Parvis aus all diesen Reibereien und Konflikten heraus, wenngleich er darüber immer ein wenig auf dem laufenden sein mußte — das verlangte die diffizile Lage eines jeden, der im Transport arbeitete.
       Der Gral wollte angesichts vollendeter Tatsachen das Kosmodrom liquidieren, vor allem nach dem Ausbau des eigenen Landeplatzes, aber der Roembden kam ihm dabei immer wieder in die Quere und bewies zudem seine Nützlichkeit, als der großartige Beton des Grals in die Brüche ging. Für den Hausgebrauch sah Parvis die Wurzeln dieses chronischen Zwistes nicht in den Finanzen, sondern in der Psychologie, denn es waren zwei lokale und allein schon dadurch zerstrittene Patriotismen, des Roembden und des Grals, entstanden. Alles übrige war die Suche nach Argumenten zugunsten der jeweiligen Seite. Das durfte man aber keinem sagen, der auf dem Titan beschäftigt war. Die Räume unter dem Kontrollturm erinnerten an eine verlassene unterirdische Stadt, und es konnte einem leid tun beim Anblick des Materials, das hier ungenutzt herumlag. Angus war schon einmal als Hilfsnavigator im Roembden gelandet, aber da hatten sie es so eilig gehabt, daß er nicht einmal von Bord gegangen war, sondern die ganze Zeit im Frachtraum verbracht und das Ausladen überwacht hatte.
       Jetzt betrachtete er die unausgepackten, noch nicht einmal entsiegelten Container mit um so größerem Verdruß, als er unter ihnen auch die erkannte, die er damals hergebracht hatte. Verärgert über die Leere, begann er zu rufen wie im Wald, aber nur das Echo hallte dumpf und tot aus den geschlossenen Gängen des Lagers.
       Er fuhr mit dem Lift nach
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