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Fiasko

Fiasko

Titel: Fiasko
Autoren: Stanislaw Lem
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ins Verhör.
       Im Geiste war er immer noch im Steuerraum, die Gurte schnitten ihm scheußlich in Brust und Rucken, als die Rakete mit den ausgefahrenen Landestelzen auf den Beton knallte, die noch nicht leergebrannten Booster Feuer spien und den ganzen Rumpf durcheinanderrüttelten.
       „Worum geht es? Wo sollte ich eigentlich landen?“
       „Ihr Stuckgut gehört dem Gral“, erklärte der Kleine und putzte sich die gerötete Nase. Er hatte Schnupfen. „Wir haben Sie oberhalb der Umlaufbahn abgefangen und hierher gerufen, weil wir Killian brauchen, Ihren Passagier.“
       „Killian“, wunderte sich der junge Pilot. „Der ist nicht bei mir an Bord. Bei mir ist nur Sinko, mein Kopilot.“ Die beiden waren verdattert. „Wo ist Killian?“
       „Jetzt bestimmt schon in Montreal. Seine Frau kriegt ein Kind. Er ist vor mir mit einer Güterfähre geflogen, noch vor meinem Start.“
       „Vom Mars?“
       „Klar, woher sonst… Was Ist tos?“
       „Die Schlamperei im All steht der auf der Erde nicht nach“, konstatierte London und stopfte sich die Pfeife mit einer Gewalt, als wolle er sie zerbrechen. Er war wütend, der Pilot nicht minder.
       „Fragen konntet ihr mich wohl nicht, was?“
       „Wir waren sicher, daß er bei Ihnen an Bord ist. So hieß es im letzten Funkspruch.“ Gosse schneuzte sich erneut und seufzte. „Wegfliegen können Sie jetzt so und so nicht mehr“, meinte er schließlich. „Und Marim konnte die Strahler kaum erwarten. Jetzt wird er alles auf mich schieben.“
       „Aber sie sind ja da.“ Der Pilot wies mit einer Kopfbewegung hinaus, wo durch den Dunst die schlanke dunkle Spindel seines Raumschiffs zu sehen war. „Sechs Stück sind es wohl, zwei davon im Gigajoule-Bereich. Sie pusten jeden Nebel und jede Wolke weg wie nichts.“
       „Aber ich kann sie nicht auf den Buckel nehmen und zu Marlin schleppen“, gab Gosse zurück, dessen Laune immer schlechter wurde.
       Der Pilot war verärgert über die Fahrlässigkeit und Eigenmächtigkeit, mit der ihn nach drei Flugwochen ein untergeordneter Landeplatz — wie dessen Chef sich ausdrückte — „abgefangen“ hatte, ohne sich die Gewißheit verschafft zu haben, daß der erwartete Passagier an Bord war. Er hatte es daher gar nicht eilig mit der Erklärung, daß die Sorge um die Ladung allein ihre Sache war. Vor der Behebung des Schadens konnte er nichts machen, selbst wenn er wollte. Er schwieg.
       „Es ist klar, daß Sie bei uns bleiben.“
       Mit diesen Worten trank London den Kaffee aus und erhob sich von seinem Aluminiumhocker. Er war gewaltig wie ein Schwergewichtsringer. Als er jetzt vor die gläserne Wand trat, bot die Landschaft des Titan seiner Gestalt einen prächtigen Hintergrund: die leblose Raserei des Gebirges, unirdisch durch seine Farbe in dem roten Glanz, den braune Wolken über den Bergrücken festhielten. Der Fußboden des Towers vibrierte leicht. Die müssen hier einen uralten Trafo haben, dachte der Pilot. Auch er stand auf, um sein Raumschiff zu betrachten. Wie ein Leuchtturm ragte es senkrecht aus dem niedrigen Nebel, dessen Schwaden zwar vom Wind dahingetrieben wurden, die Flecken der überhitzten Stellen an den Düsen jedoch verbargen. Vielleicht lag es aber auch an Entfernung und Dämmerung, oder sie waren ganz einfach erkaltet. „Habt ihr hier Gamma-Defektoskope?“ Das Raumschiff war für ihn wichtiger als ihre Sorgen. Die hatten sie sich ja selbst bereitet.
     
       „Ja, aber im normalen Raumanzug lasse ich niemanden an die Rakete ran“, sagte Gosse.
       Der Pilot fuhr herum. „Sie meinen, es ist der Reaktor?“
       „Und Sie?“
       Der kleine Flugleiter stand ebenfalls auf und trat zu ihnen. Aus den Schlitzen im Fußboden unterhalb der gewölbten Scheiben wehte angenehme Wärme.
       „Beim Niedergehen sprang die Temperatur über die Norm, aber die Geigerzähler sprachen nicht an. Es ist wohl doch nur die Düse. Vielleicht hat sie die Keramik aus der Brennkammer ausgestoßen. Ich hatte den Eindruck, etwas zu verlieren.“
       „Die Keramik mag fort sein, aber da ist etwas ausgelaufen“, sprach Gosse energisch. „Keramik schmilzt nicht.“
       „Die Pfütze dort?“ Der Pilot wunderte sich.
       Sie standen vor den Scheiben aus Thermoglas. Unter dem Heck war durch die Nebelschwaden, die der Sturm um den Rumpf des Raumschiffs jagte, tatsächlich eine schwarze Lache zu sehen.
       „Was haben Sie im Reaktor? Schweres
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