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Fey 07: Die Augen des Roca

Fey 07: Die Augen des Roca

Titel: Fey 07: Die Augen des Roca
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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hatte, um zehn Jahre gealtert zu sein. Er war selbst ein Aud, der Niedrigste der Niedrigen im Rocaanismus, was seine bloßen Füße, sein schmuckloses fleischfarbenes Gewand und das kleine Silberschwert um seinen Hals bewiesen. Die amtierenden Geistlichen, die hochrangigsten Überlebenden des Angriffs, trugen samtene schwarze Talare und Sandalen, und ihre Hälse zierten filigrane, handgefertigte teure Schwerter.
    Das alles spielte jetzt keine Rolle mehr. Ohne den Rocaan war der Rocaanismus wahrscheinlich zum Untergang verurteilt.
    Die Überlebenden hatten sich in der Höhle verteilt. Viele von ihnen schliefen. Andere kümmerten sich um die Verletzten. Manche beteten. In den verschiedenen Ecken der Höhle brannten insgesamt fünf Fackeln, die ein fahles Licht verbreiteten. Seit Con hier unten war, hatte er mehr und mehr das Gefühl, sich in der Dunkelheit, die seine Kräfte aufzusaugen schien, zu verlieren.
    Neben sich hörte er ein leises Stöhnen, gefolgt von dem sonderbar knirschenden Geräusch, mit dem Steine aneinanderschabten. Sebastian war erwacht.
    Con schauderte. Als der Tabernakel in Brand geraten war, hatte er die letzte Weisung des Rocaan empfangen: durch die Tunnel zum Palast zu gehen und den König zu warnen, daß die Invasion der Fey begonnen hatte. Nach einer langen, qualvollen Reise durch die Gänge, während der er fast das Opfer des alten Aud und seiner Bande geworden wäre, war er gerade rechtzeitig im Palast angekommen, um in den Tunneln auf die Truppen des Königs zu treffen, die gerade zum Kampf gegen die Fey antraten.
    Vergeblich. Die Fey waren Sieger geblieben. Aber Con, der eine Weisung auszuführen hatte, war in den Palast eingedrungen und dort im großen Empfangssaal gelandet, vor einer mit Schwertern dekorierten Wand. Er hatte die Geheimtür aufgestoßen und sich plötzlich einigen Fey, die auf ihn gewartet hatten, Auge in Auge gegenübergesehen. Er hatte sich ein Schwert von der Wand geschnappt und festgestellt, daß dieses Schwert die Fey ebenso schnell tötete wie Weihwasser.
    Jetzt lag das Schwert neben ihm, zusammen mit jenem anderen, den er aus dem Palast gerettet hatte: Sebastian, einem steinernen Geschöpf, das den Fey ähnelte und der Sohn des Königs Nicholas war.
    »Wir … müssen … weg.« Sebastian sprach langsam. Seine Stimme war so tief und dumpf wie die eines Steins. Con drehte sich um. Sebastian hatte sich aufgesetzt und stützte sich auf die Hände. Sie kannten sich seit einer Woche, aber Sebastian hatte noch nie einen Vorschlag geäußert, ganz zu schweigen von einem Befehl.
    »Weggehen?« fragte Con.
    Sebastian nickte auf seine sonderbare Art. Er senkte den Kopf nur einmal nach unten und hob ihn dann wieder, als bereite ihm diese Bewegung Schwierigkeiten. Jede Bewegung schien mühsam für ihn zu sein. Con wußte nicht, ob das ungewöhnlich war.
    Er hatte Sebastian durch reinen Zufall entdeckt. Con hatte sich in einem Zimmer des Palastes versteckt, auf dessen Boden überall kleine Steine verstreut lagen. Auf diesen Steinen hatte Con sein ungewöhnliches Schwert abgelegt. Daraufhin ertönte eine Art Explosionsgeräusch, ein Donner hallte, und plötzlich schien alle Luft aus dem Zimmer gesogen zu werden. Con wurde nach hinten geschleudert. Als er wieder zu sich kam, sah er, daß er nicht mehr allein war.
    In der Mitte des Zimmers saß Sebastian. Er war nackt, feine Linien und Risse überzogen seinen Körper, als sei er ein geborstener Becher, den man ungeschickt wieder zusammengeklebt hatte. Die Steine waren verschwunden. Con erkannte in Sebastian den halb schwachsinnigen Sohn des Königs.
    Es überraschte Con, daß die Vermählung zwischen einer Fey und einem Inselbewohner zu einem Sohn geführt hatte, der nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Stein zu bestehen schien und dessen Verstand, obgleich funktionstüchtig, sich mit der Langsamkeit eines Berges bewegte, während seine Seele so unschuldig war wie die eines Neugeborenen.
    »Wir …müssen … gehen«, wiederholte Sebastian eindringlich, und Con runzelte die Stirn. Er hatte seit Tagen das gleiche Gefühl, aber die Geistlichen weigerten sich, auch nur einen von ihnen gehen zu lassen. Sie fürchteten, daß Rocaanisten, die die Gänge erforschten, auf Fey stoßen und diese unwissentlich zu ihnen führen könnten. Die Geistlichen schützten die Höhle nicht wegen der Weihwasserkisten, die sich hier befanden. Deren Nutzlosigkeit im Kampf gegen die Fey hatte sich bereits erwiesen. Ihnen ging es um die Vorräte, die
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