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Feuerteufel: Roman (German Edition)

Feuerteufel: Roman (German Edition)

Titel: Feuerteufel: Roman (German Edition)
Autoren: Ninni Schulman
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die nicht mehr zu denken vermochten.
    Petra sah Hannes vor sich und spürte die Tränen hinter den Lidern brennen.
    »Können Sie verstehen, wie es ist, wenn das eigene Kind in sich selbst verschwindet, in seinem eigenen schwarzen Dunkel, und man kann nichts ausrichten?«, fragte Barbro.
    Ja, das kann ich, dachte Petra. Ich weiß es genau.
    »Er hat versucht, sich aus dem rauszuarbeiten«, fuhr Barbro fort. »Er hat versucht, nach vorn zu schauen. So kam er darauf, dass er Konditor werden wollte. Ich weiß nicht, warum, wir haben zu Hause nicht großartig gebacken oder so, aber als er klein war, war er immer ganz begeistert, wenn wir am Schaufenster der Kaffestugan vorbeikamen. Im Fernsehen hatte er eine Dokumentation über irgendwelche Tortenmacher gesehen, die Preise bekommen hatten, die schufen einfach ganz unglaubliche Sachen. Vielleicht klingt das alles sehr naiv, aber es war das erste Mal seit vielen, vielen Jahren, dass er sagte, dass er etwas wollte. Wir haben ein wenig gemeinsam gelesen, dann hat er mit seinem Berater bei der Arbeitsvermittlung gesprochen, und es gab offenbar eine Art Ausbildung, die er machen konnte. Er ging zu Gunde und Doris und fragte, ob er bei ihnen anfangen könnte, und das konnte er. Doch nach nur einem Monat haben sie ihn rausgeschmissen, einfach so. Sie behaupteten, er sei faul, und töteten seine Träume. Töteten ihn. Faul! «
    Barbro lehnte sich im Stuhl zurück, um Atem zu holen. Die Tränen liefen wieder.
    Petra zog eine Schublade auf und nahm eine Packung Papiertaschentücher heraus.
    »Hier«, sagte sie und streckte sich über den Tisch.
    Barbro nahm das Paket, vergaß aber, es zu öffnen, und hielt es nur in der Hand.
    »Er hat sich aufgehängt, Sie erinnern sich, oder?«
    Petra nickte.
    »Alle wissen das«, sagte Barbro, »aber niemand wagt mit mir darüber zu reden. Magdalena und ich haben ein halbes Jahr lang durch eine Glaswand Bedeutungslosigkeiten ausgetauscht. Sie hat nie gefragt. Obwohl ich weiß, dass sie es weiß.«
    Schließlich öffnete Barbro das Paket, nahm ein Taschentuch heraus und schnäuzte sich. Petra wartete.
    »Er hat sich in der Garage aufgehängt. Ich hatte gehört, dass er diese David-Bowie-Platte gespielt hat, die er immer laufen ließ, wenn ich schlafen gegangen war. Als ich am Morgen aufwachte, war alles still. Still und eiskalt. Als ob die Zeit angehalten worden wäre, als ob der Wind draußen den Atem anhalten würde. Seine Zimmertür stand offen, das Bett war gemacht, und auf dem Kopfkissen lag ein Brief. Ich werde nie dieses schmutziggraue Licht der Dämmerung vergessen, das über dem ganzen Zimmer lag. Solches Licht macht einen schutzlos, man ist unvorbereitet, wie logisch alles auch sein mag.«
    Petra bekam eine Gänsehaut.
    »Der Umschlag«, fuhr Barbro fort, »so ein ganz gewöhnlicher weißer, mit drei fast unsichtbaren Zeilen für die Adresse, war nicht zugeklebt, er hatte die Lasche nur eingesteckt, wie man es tut, wenn man Geburtstagskarten zumacht. ›Geh nicht in die Garage, Mama‹, hatte er in seinem Brief geschrieben. Es tut mir leid, dass ich ihm nicht gehorcht habe. Es tut mir sehr leid, dass ich ihm nicht gehorcht habe. Eine Mutter sollte so etwas nicht sehen. Das wusste er.«
    Es wurde still im Zimmer. Barbro zitterte, als fröstelte sie, und wischte sich die Nase ab. Dann betrachtete sie das nasse Papierknäuel.
    »Auf der Kellertreppe war das graue Licht noch dumpfer, die Tür zur Garage war geschlossen. Hinterher konnte ich nie wieder da runtergehen. Als ich umgezogen bin, musste die Umzugsfirma alles wegwerfen.«
    Barbro schloss die Augen.
    »Jetzt bin ich sehr müde. Sehr, sehr müde.«
    Petra stand in der Tür zum Wohnzimmer und sah Lasse auf dem Sofa sitzen. Wieder fielen ihr die Worte ein. Ich habe Glück gehabt.
    Sie setzte sich neben ihn, legte den Kopf zurück und schloss die Augen.
    »Wie geht’s?«, fragte er.
    »Geht so. War schon besser.«
    Sie zog die Füße unter sich und legte die Wange auf Lasses Schulter.
    »Jetzt habt ihr den Verrückten ja endlich gekriegt«, sagte er.
    »In der Tat.«
    Als das Verhör mit Barbro vorbei war, war Petra aufs Klo gegangen und hatte geweint. Um Ingemar, um Barbro, um Mirjam und Doris und Gunde und Maud. Und um Hannes.
    »Sag, was du denkst«, forderte Lasse sie auf.
    Petra nahm ein Kissen aus der Sofaecke und legte es auf ihren Bauch.
    »Ich weiß nicht, was ich denke. Doch, ich denke, wie traurig das alles ist, wie einsam alle sind mit ihren eigenen Dingen und ihren eigenen
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