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Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut
Autoren: James Rollins
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breit und zog sich sechshundert Meter weit über einen niedrigen Hügel. Er ähnelte einer verendeten Riesenschlange, die unter Erdreich begraben war.
    Billy hatte schon von solchen Erdhügeln gehört. In der Wildnis Amerikas gab es viele solche Erdwälle und auch noch andere von Menschenhand angelegte Erhebungen. Sein Vater meinte, dies seien Hügelgräber, die von den Vorfahren der einheimischen Wilden errichtet worden seien. Die Indianer selbst konnten sich daran nicht mehr erinnern, sie kannten nur Mythen und Legenden. Geschichten, die von einer untergegangenen Zivilisation handelten, von alten Königreichen, Gespenstern und Bannflüchen – und natürlich auch von vergrabenen Schätzen.
    Billy rückte näher, als sein Vater den Fund freilegte, der in dickes Fell eingewickelt war. Die schwarzen, struppigen Haare waren noch gut erhalten. Ein moschusartiger Geruch – eine Mischung aus Erd- und Tiergeruch – ging davon aus und überlagerte die Fleischdüfte der nahen Kochfeuer.
    »Büffelfell«, sagte sein Vater und blickte Fortescue an.
    Der Franzose bedeutete ihm mit einem Nicken, er solle fortfahren.
    Mit beiden Händen teilte sein Vater behutsam das Fell und enthüllte, was seit einer kleinen Ewigkeit im Erdreich verborgen gewesen war.
    Billy hielt den Atem an.
    Seit Gründung des Landes hatte man schon viele indianische Hügelgräber geöffnet und geplündert. Gefunden hatte man darin die Gebeine Verstorbener sowie ein paar Pfeilspitzen, Lederschilde und Tonscherben.
    Was war an diesem Fundort so besonders?
    Nachdem sie zwei Monate lang akribisch erkundet, kartografiert und gegraben hatten, wusste Billy noch immer nicht, weshalb sie ausgerechnet hierher gekommen waren. Wie alle anderen Grabräuber hatten sein Vater und dessen Begleiter als Lohn für all die Mühe bislang nicht mehr vorzuweisen als verschiedene indianische Grabbeigaben und Artefakte: Bogen, Köcher, Lanzen, einen großen Kochtopf, ein paar perlenbestickte Mokassins, einen prachtvollen Kopfschmuck. Und natürlich hatten sie Gebeine gefunden, zu Tausenden. Schädel, Rippen, Schenkel- und Beckenknochen. Fortescue schätzte, dass hier mindestens einhundert Männer, Frauen und Kinder bestattet worden waren.
    Es war mühevoll gewesen, all die Gegenstände zu sammeln und zu katalogisieren. Sie hatten bis zum Winteranfang gebraucht, um sich von dem einen Ende des Hügelgrabs bis zum anderen vorzuarbeiten, den Hügel Schicht für Schicht abzutragen und das Erdreich und die Steine zu sieben. Jetzt aber hatten sie, wie der Franzose sich ausgedrückt hatte, den Kopf der Schlange erreicht.
    Billys Vater schlug die Büffelhaut auseinander. Ausrufe des Erstaunens waren zu vernehmen. Selbst Fortescue sog mit zusammengekniffener Nase die Luft ein.
    Auf der Innenseite des Fellstücks war eine wilde Schlacht abgebildet. Indianer jagten zu Pferd über das Leder, viele davon mit Schilden ausgerüstet. Die Speerspitzen waren rot bemalt. Pfeile flogen durch die Luft. Billy meinte, die trillernden Kriegsschreie der Wilden zu hören.
    Fortescue kniete nieder, hielt die Hand über das Bild. »Ähnliche Arbeiten habe ich schon gesehen. Die Eingeborenen gerben das Büffelfell mit einem Brei aus dem Gehirn der Tiere, dann tragen sie mit einem ausgehöhlten Knochenstück die Farbe auf. Aber, mon Dieu, ein solches Meisterwerk habe ich noch nie zu Gesicht bekommen. Sehen Sie nur, die Pferde unterscheiden sich alle, und bei der Kleidung der Krieger sind selbst kleinste Details dargestellt.«
    Die Hand des Franzosen wanderte ein Stück zur Seite und kam über dem Gegenstand zur Ruhe, der in das Fell eingewickelt gewesen war. »Und so etwas sehe ich auch zum ersten Mal.«
    Zum Vorschein gekommen war der Schädel eines Ungeheuers. Zuvor hatten sie die Fangzähne gereinigt, die aus dem Paket hervorgeschaut hatten. Der Schädel, den sie jetzt vor sich sahen, war so groß wie eine Kirchenglocke. Und wie das Büffelfell war auch der Schädel reich verziert und zum Malgrund eines prähistorischen Künstlers geworden.
    Figuren und Formen waren in den Schädelknochen eingeschnitzt, die Farben so leuchtend, dass sie noch ganz frisch wirkten.
    Billys Vater sagte voller Ehrfurcht: »Das ist ein Mammutschädel, hab ich recht? So wie die, die wir in Big Salt Lick gefunden haben.«
    »Nein. Das ist kein Mammut« , entgegnete Fortescue und zeigte mit dem Stock darauf. »Betrachten Sie nur den Schwung und die Länge der Stoßzähne, die gewaltigen Backenzähne. Die Schädelform unterscheidet
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