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Feueratem

Feueratem

Titel: Feueratem
Autoren: Tanja Kinkel
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undurchdringlich gewesen. Nur Übelkeiterregend und …
    „Niemand“, sagte der Drache, „kann in diesem Zauber lange überleben, ohne zu werden wie die Vögel, die du gesehen hast, wenn er nicht ohnehin bald stirbt. Niemand, bis auf die Drachen. In einem Gebiet, das einem Drachen als Heimat dient, kann der Zauber nicht angewendet werden, doch nur, wenn er wirklich dort lebt und mit ihm verwurzelt ist.“
    „Der Drache ist unser Schutz“, hatte sie ihre Eltern immer wieder sagen hören, doch nie zuvor hatte sie begriffen, dass er sie vor mehr schützte als vor Armeen. Teres setzte sich zurück und verlagerte ihr Gewicht auf ihre Fersen, während sie ihre Knie umschlang.
    „Aberwenn niemand lange in diesem Zauber leben kann, bis auf die Drachen“, sagte sie, „dann wäre es auch für den Clan Soschun unmöglich. Ich habe einige von ihnen gesehen, und niemand war missgestaltet.“ Sanis Gestalt, die runden, starken Arme, die sie gehalten hatten, kam ihr in den Sinn, von der Nachmittagssonne umrahmt, während er sich über das Flussufer hinwegbeugte. Ihr eigener kleiner ungelenker Körper war ihr daneben immer ungenügend erschienen.
    Der Drache schaute sie mit seinen schwarzen Augen an. „Ich habe nur gesagt, dass dieses Gebiet unter dem Zauber des Clans Soschun liegt“, entgegnete er. „Nicht, dass die Familie dort lebt. Es war eine ihrer Eroberungen – der Stammsitz des Clans Hollis. Aber niemand von ihnen lebt mehr dort … Niemand, der in der Lage wäre, ein Wort zu sprechen.“
    „Von einem Clan mit diesem Namen habe ich noch nie gehört!“, begehrte Teres auf.
    „Und doch hat es ihn gegeben, viele hundert Jahre lang, bis zu der Stunde, als der Zauber sie traf. Sie waren Goldschmiede und Juwelensammler, die Menschen vom Clan Hollis, und ihr Reichtum übertraf den der meisten anderen Clans. Man beneidete sie glühend, doch niemand wagte, nach ihrem Reichtum zu trachten. Bis der große Krieg kam und die Clans übereinander herfielen.“
    Mit dieser Art von tödlichem Zauber, setzte er ihr in aller Ruhe auseinander, hatte mehr als ein Clan Gebiete erobert, weil sich ihm nichts in den Weg stellen ließ und selbst ein gleichartiger Gegenzauber nichts daran änderte, dass der alte Besitzer sein Land nicht mehr bewohnen konnte.
    Teres war fassungslos. „Aber dann bleibt doch am Ende nur noch verwüstetes Land übrig!“ Und Leichen, dachte sie. Aber die seltsamen Vögel, die sie gesehen hatte, bewiesen, dass es am Ende sogar noch schlimmere Zustände als den Tod gab. Für die Vögel und …
    Nein. Sie musste sich getäuscht haben. Das konnten keine Umrisse von Menschen gewesen sein, diese verzerrten, torkelnden Gestalten. Kein Mensch konnte mehr dort leben, das hatte der Drache gesagt. Gewiss hatte das grünliche Dämmerlicht ihrem Sehvermögen einen Streich gespielt.
    Niemand, der in der Lage wäre, ein Wort zu sprechen, das waren die genauen Worte des Drachen gewesen, nicht kein Mensch . Erneut würgte es Teres, aber ihr Magen war leer.
    „Begreifst du nun“, fragte der Drache, „was für ein Kind du bist, mit deinem Gezeter um Vorzüge und verlorene Liebe?“
    Die Beschämung brannte in ihr.
    „Ein Kind mag ich sein“, gab sie zurück und schluckte, „aber in einem hatte ich doch recht. Wäre es nicht besser, Frieden zu stiften zwischen den Clans? Wenn Drachen dieses Böse verhindern können, dann verstehe ich nicht, warum sie es nicht tun!“
    „Drachen sind wilde Geschöpfe, die nur ihren eigenen Gesetzen und Wünschen folgen. Auf ihre eigene Art sind sie so grausam wie die Menschen.“
    „Aber du und deinesgleichen“, sagte Teres zornig, „ihr lebt doch auch bei den Menschen!“
    „Meinesgleichen gibt es nicht. Nicht so, wie du es meinst.“
    Mit diesen Worten verstummte der Drache und bewegte auffordernd den Kopf. Teres verstand. Sie erhob sich und kletterte stumm wieder auf seinen Rücken.
    Dem Fliegen war die Freiheit geraubt, und die Schwere ihres Herzens drückte sie, während sie in ihr Heim zurückkehrten, als flöge sie nicht, sondern ertränke langsam in einem See voller ungeweinter Tränen.
    ***
    Es dauerte über eine Woche, ehe Teres sich wieder freiwillig in die Nähe des Drachen begab, unaufgefordert und ohne dazu verpflichtet zu sein. Dem Reinigungsritual kam sie natürlich trotzdem nach, wenn sie an der Reihe war, immer mit einem anderen Clanmitglied. Der Drache ließ sich nicht anmerken, dass er je mit ihr gesprochen hatte, und auch Teres blieb still, während sie ihn
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