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Fesseln des Schicksals (German Edition)

Fesseln des Schicksals (German Edition)

Titel: Fesseln des Schicksals (German Edition)
Autoren: Liz Gallaga
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wieder verlassen können.
    Gerade wollte David den Brief schon weglegen, als ihm ein winziges Detail ins Auge sprang: Die Einladung war nicht erst für den nächsten Tag, sondern schon für denselben Abend.
    «Verdammt!», fluchte David. Er hatte nur noch eine Stunde, um sich fertig zu machen und pünktlich zu erscheinen. «Schnell!», befahl er dem Sklaven. «Bring sauberes Wasser und ausreichend Handtücher. Ich muss diesen schrecklichen Gestank loswerden.»
    Rasch stellte er sich wieder in die Wanne und seifte sich noch gründlicher ein als beim ersten Mal. Dann wartete er, dass der Diener mit sauberem Wasser zurückkam.
    David war wirklich verärgert. Was fiel diesem Menschen ein, ihm nur eine Stunde vorher Bescheid zu geben? Für wen hielt sich dieser Gaston Lacroix? Diese unberechenbaren Franzosen würde er niemals verstehen, dachte David erbost.
    Nachdem er wenig später den letzten Knopf des Gehrocks geschlossen hatte, fingerte er nach den Ärmeln des Hemdes und zog sie so weit heraus, dass man die Stickerei sehen konnte, die die Manschetten verzierte. Schließlich band er sich noch ein Tuch um den Hals und setzte sich einen Zylinderhut auf, der aus dem gleichen perlgrauen Stoff gefertigt war wie der Anzug.
    David betrachtete sich im Spiegel. Er hatte eine gesunde Gesichtsfarbe. Seine sehr helle Haut hatte während der Monate im Feld eine leichte Sonnenbräune angenommen, die seine blauen Augen noch mehr betonte. Sein blondes, eigentlich kurzes Haar war gewachsen, und obwohl es im Nacken fast eine Handbreit lang war, konnte er es wegen seiner Locken noch nicht zu einem Zopf binden. Mit den feinen Augenbrauen, der glatten Haut und den gleichmäßigen, nicht sehr markanten Gesichtszügen wirkte er jünger als dreißig. Doch die recht große Nase mit breiter Nasenwurzel verlieh ihm einen maskulinen Zug. Seine Größe und Statur machten ihn zu einem außerordentlich attraktiven Mann.
    Nachdem er seinem Spiegelbild einen letzten Blick zugeworfen hatte, nickte David zufrieden und verließ mit Hilfe des neuen Gehstocks das Zimmer.

· 3 ·
    S chon vor über dreißig Jahren hatte Napoleon Louisiana an die Vereinigten Staaten verkauft und mit dem Erlös seine Feldzüge finanziert. Die Bewohner dieses Staates hatten sich jedoch noch nicht damit abgefunden, Amerikaner zu sein. New Orleans betete seine französischen Wurzeln an, und das französische Viertel mit seinen bunten Häusern, der europäischen Musik, die aus allen Ecken ertönte, und den bittersüßen Aromen seiner mediterranen Gerichte war das Herzstück der Stadt.
    Gleichwohl würde David nicht lange genug bleiben, um auch das intensive Nachtleben zu genießen. Sein Zwischenhalt galt nur seinen Geschäften, und er musste seine Reise fortsetzen, sobald er seine Angelegenheiten geregelt hatte.
    Die Kutsche bog in die Chartres Street ein. Zur Linken erschien das Gebäude des Cabildo, das während der spanischen Herrschaft als Regierungssitz gedient hatte und in dem jetzt das Rathaus untergebracht war. Dann erblickte David die Kathedrale St. Louis mit ihren drei Türmen und schließlich das Presbyterium, dessen Frontgiebel mit amerikanischen Symbolen verziert war, die das alte spanische Wappen ersetzt hatten. Jeder Hinweis auf die Kolonialzeit war beseitigt worden. Hinter dem Andrew-Jackson-Platz konnte David zwischen den unendlichen Reihen der Raddampfer und Schiffe, die über mehrere Meilen an beiden Ufern des Flusses angelegt hatten, das dunkle Wasser des Mississippi erkennen. Von hier aus wurde jedes Jahr eine halbe Million Ballen Baumwolle verschifft. Der geringere Teil davon ging flussaufwärts in die Nordstaaten, wo die Baumwolle weiterverarbeitet wurde. Der größte Teil wurde jedoch nach England gebracht, um die unersättliche Nachfrage der größten textilverarbeitenden Industrie nach Rohmaterial zu befriedigen.
    Aber in Louisiana wurde nicht nur mit Baumwolle gehandelt. Jahrelang war der größte Teil der Sklaven, die aus Afrika hergebracht wurden, hier entladen und danach in den Straßen von New Orleans verkauft worden. Und trotz des internationalen Verbots war der Handel mit afrikanischen Sklaven auch heute noch eines der einträglichsten Geschäfte der Stadt.
    Als die Kutsche das alte Ursulinenkloster mit seinen steilen, von Gauben gesäumten Dächern und den hohen Schornsteinen im französischen Kolonialstil erreichte, machte David die ersten abendlichen Passanten auf dem Bürgersteig aus.
    Sie bogen in die Esplanade Avenue ein, deren zwei
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