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Fesseln des Herzens

Fesseln des Herzens

Titel: Fesseln des Herzens
Autoren: Allison Farrell
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Augen, als sie die warmen Strahlen auf ihren Wangen spürte. Dann strich sie sich das blonde, von roten Strähnen durchzogene Haar über die Schultern, griff nach ihrem Hirtenstock und stapfte los.
    Während sie den Blick über die von hohen Bäumen gesäumte Wiese schweifen ließ, kamen ihr wieder die alten Geschichten in den Sinn, die man sich über sie erzählte.
    Einige Menschen glaubten, dass ihr ährenblondes Haar nur deshalb von roten Strähnen durchzogen war, weil sie die Gabe der Voraussicht hätte.
    Das Schicksal hatte es so bestimmt, dass sich bei jedem Leid, das ihr zugefügt wurde, jeweils einige Locken rot färbten. Woher das kam, wusste sie nicht, aber die Menschen waren der festen Überzeugung, dass sie dadurch ihr bevorstehendes Leid vorhersehen könnte. Sie behaupteten, dass sich dann eine weitere Strähne im Schein der Abendsonne rot wie Blut färben würde.
    Aimee konnte das bestreiten, wie sie wollte, das Gerücht hielt sich hartnäckig. Es hätte durchaus gereicht, um zu verbreiten, dass sie eine Hexe sei, aber die Menschen behandelten sie mit größtem Respekt. Sie war es, nach der man rief, wenn eine der Frauen oder Mädchen niederkam. Sie war es, die Frauen Fruchtbarkeit bescherte und ihnen half, wenn sie von Krankheit befallen waren. Sie war es, die oftmals als Letzte retten konnte, was stümperische Medikusse und Hebammen verbrochen hatten.
    Als sie sich ein Stück weit von ihrem Turm entfernt hatte, blieb sie kurz stehen. Es war, als hätte sie ein Geräusch vernommen, doch als sie sich umwandte, erblickte sie nichts als den Turm.
    Die Leute aus den Dörfern hatten ihrem Unterschlupf den Beinamen »Der Alte« gegeben. Sie selbst nannte ihn lieber den Rosenturm, weil er von dichten, wilden Rosenstöcken umwuchert war, die im Sommer zartrosa Blüten ausbildeten. Die dornigen Ranken umarmten das Gestein und wucherten zuweilen auch durch die Fenster, die sich nur mit hölzernen Läden verschließen ließen.
    Das Innere war recht karg eingerichtet. Außer einem Bett, einer Feuerstelle, in der ein geschwärzter Kessel hing, und einem wackligen Tisch gab es nur noch einen geflickten Schemel. Aber das reichte Aimee. Die Räume waren erfüllt vom Duft der Kräuter, die sie trocknete, und im Sommer strömte zusätzlich das süße Aroma der Rosenblüten herein. Um ihre Haare zu schmücken, fand sie den ganzen Sommer über Blüten, und ihr Gewand aus rauhem Leinen war so robust, dass sie sich nur jedes Jahr ein neues schneidern musste.
    Ganz vollständig war der Turm nicht mehr, doch durch die massigen Steine und die dicken Wände bot er ihr eine sichere Unterkunft. Von der Spitze aus, die einstmals ein Dach geziert hatte, das einem Unwetter zum Opfer gefallen war, hatte Aimee einen hervorragenden Rundblick über ihre Herde, die von weitem wirkte, als seien Wolken auf die grüne Wiese gefallen.
    Nachdem sie sicher war, dass niemand sie aufsuchen wollte, setzte sie ihren Weg fort.
    Er führte vorbei an einem kleinen See, auf dessen sich kräuselndem Wasser die Sonnenstrahlen tanzten. Freudiges Gebell tönte ihr wenig später entgegen. Ihre drei Hütehunde, die dafür sorgten, dass die Herde zusammenblieb, hatten sie längst gewittert und kamen nun mit langen Sprüngen auf sie zugelaufen. Alle drei hatten langes, dunkles Fell mit weißen Flecken an Schnauze und Rute.
    Aimee hockte sich hin und ließ sich von den Tieren begrüßen. Sie leckten ihr freudig das Gesicht und schmiegten sich an sie, als sie ihnen den Kopf und den Rücken tätschelte.
    »Na, habt ihr gut auf die Schafe achtgegeben?«, fragte sie, worauf einer der Hunde zu bellen begann, als wollte er ihr antworten.
    Um diese Zeit bekamen die Schafe ihre ersten Lämmer, und es war besser, wenn sie zugegen war. Nicht, weil sich die Tiere nicht zu helfen wussten. Nur selten musste sie eingreifen, wenn ein Lamm nicht auf die Welt wollte, wie es sollte. Aber der Geruch der Nachgeburt lockte die Wölfe an, und die wollte Aimee so früh wie möglich vertreiben, ehe sie ihr die Lämmer rissen.
    Da von den Wölfen allerdings nichts zu sehen war, scheuchte sie die Hunde zurück zur Herde und setzte sich auf einen Stein am Weiher, der zu ihrer Weide gehörte. Dann begann sie sich die Haare zu flechten. Ein paar erste Gänseblümchen, die sich vorwitzig aus dem Gras reckten, brachten sie zu der Überlegung, ihre Zöpfe damit zu schmücken.
    Da ertönte ein lautes Blöken. Die Hunde schlugen sogleich alarmiert an, und als Aimee herumwirbelte, bemerkte sie
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