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Fesseln der Unvergaenglichkeit

Fesseln der Unvergaenglichkeit

Titel: Fesseln der Unvergaenglichkeit
Autoren: Karin Kolb
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sie treffen kann, ohne ihr etwas anzutun.«
    »Ich gehe mal lieber, ich habe noch eine Vorstellung.« Die junge Frau stand eingeschüchtert neben ihnen und hielt ihre große Tasche wie einen Schild vor ihren Bauch. »Kommst du zuschauen?«, fragte sie leise.
    Ihrem Blick sah Leonardo an, dass sie sich trotz der Furcht, die sein ungestümes Verhalten ihr einjagen musste, nicht vom Fleck lösen konnte. Offensichtlich hegte sie tief gehende Gefühle für seinen Freund.
    Iwan wand sich aus Leonardos Armen und nickte. Sanft legte er einen Arm um die Frau und führte sie zur Tür.
    »Wir kommen beide zu Ihrer Aufführung«, rief Leonardo ihnen schnell hinterher. Die Frau drehte sich zu ihm und nickte. Kaum hörte er die Tür ins Schloss fallen, stürmte Iwan zurück und stürzte sich auf Leonardo.
    »Du willst sie betören, du hast es auf sie abgesehen!« Er drückte ihm die Gurgel zusammen.
    »Spinnst du? Ich will dir nur helfen. Ich weiß, dass du das nicht allein schaffst«, presste Leonardo hervor.
    Iwan starrte entsetzt auf seine Hände, die Leonardos Hals zusammendrückten. Er zuckte zurück. »Entschuldigung, ich weiß nicht, was über mich gekommen ist. Seit ich Angelina kenne, bin ich nicht mehr ich selbst.« Er ging zur Bar und goss sich einen Whiskey ein. »Jede Faser meines Daseins sehnt sich nach dieser Menschenfrau. Unsere Blutvereinigung ist so intensiv, dass es für mich unmöglich ist, nicht von ihr zu trinken.« Wie zur Bestätigung seines Durstes kippte er das halb volle Glas in einem Zug hinunter. Er schüttelte sich und wischte mit dem Handrücken über seine Lippen. »Sie liebt es, wenn ich von ihr trinke, findet das echt abgefahren.« Iwan erhob seine Arme gegen die Decke. »Angelina.« Er rief ekstatisch ihren Namen und drehte sich im Kreis. Dann stoppte er vor Leonardo. »Wir müssen los, ich werde unruhig, wenn ich nicht in ihrer Nähe bin.« Er boxte ihn gegen die Schulter und marschierte Richtung Tür.
    »Zum Glück sind diese Schwärmereien meistens nur sehr kurzfristig.« Sekundenschnell entschied Leonardo sich, seinem Freund zu helfen und ihn gleichzeitig zu bewachen. Der Ausflug ins Theater zögerte den Besuch bei Neele hinaus und verschaffte ihm eine Galgenfrist. Er folgte Iwan zum Ausgang.
    Sie überquerten die Straße. Der Verkehr rauschte wie jeden Abend um sieben als unaufhaltsamer Fluss durch die Avenue. Sie schlüpften zwischen den Blechkästen hindurch und bogen in den Central Park. Die Dämmerung legte sich mit einem silbernen Hauch über die grünen Blätter. Leonardo prägte sich die Farbe ein. Oft schon hatte er versucht, dieses unfassbare, magische Licht auf die Leinwand zu bringen. Aber kein Versuch hatte ihn bis jetzt zufriedengestellt. Iwan stürmte voraus, ohne das Naturspiel eines Blickes zu würdigen. Er musste ihn zurückhalten und warnen, bevor er sich vollkommen verlor. »Iwan.« Er rief in einer Tonlage, die nur sein Freund hörte. »Du bist besessen von dieser Frau. Sie ist nur ein Mensch und sie will dich, weil du ein berühmter Opernsänger bist.«
    »Das stimmt nicht.« Iwan war stehen geblieben und maß ihn empört. »Sie liebt mich. Sie ist vom Glanz der Theaterwelt unbeeindruckt. Sie arbeitet selbst dort, schon vergessen?«
    Leonardo wollte antworten, entschied sich aber dagegen. Verärgert drehte er Iwan den Rücken zu. Da sah er sie. Ein Blitzschlag jagte durch ihn hindurch, setzte seinen Körper in Flammen. Die junge Frau war auf das Gras ausgewichen, um an ihm vorbeizulaufen. Eine Erscheinung aus gleißendem Licht. Das Muster ihrer Seele flimmerte in einem wechselnden Farbenspiel. Wie eine zauberhafte Melodie drehten sich die Auren um ihren grazilen Körper. Die braunen halblangen Haare wehten luftig in der Abendbrise.
    Für einen Moment lag der Blick ihrer turmalinschwarzen Augen auf ihm. Er taumelte und versuchte, den Kontakt hinauszuzögern. Sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen, süße Schauder jagten durch seinen Körper. Er hielt den Atem an. Wünschte sich, Teil ihrer Seele zu sein, um unendlich um sie herum zu kreisen. Ein zersplitternder Schmerz überkam ihn, als sie weiterhastete.
    Er folgte ihr, ohne nachzudenken. Sie ging mit großen, kraftvollen Schritten. Er musste herausfinden, wo sie so schnell hineilte. Ein Auto überholte ihn hupend. Leonardo fluchte. Warum mussten Menschen ihre Gegenwart immer durch Lärm bemerkbar machen? Der Wagen stoppte neben der jungen Frau, die Tür wurde aufgerissen.
    »Danke, dass du mich mitnimmst, ich bin
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