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Fesseln der Unvergaenglichkeit

Fesseln der Unvergaenglichkeit

Titel: Fesseln der Unvergaenglichkeit
Autoren: Karin Kolb
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Wolkenmeer vor ihnen erstreckte. Aiyana zögerte. Leonardo legte seinen Arm um sie und zog sie mit sich in die Schwärze, die sie umschlang und verschluckte.
     
    *
     
    Der Sicherheitsbeamte war zur Tür gelaufen, wo ein Mann laut umherbrüllte. Leonardo nickte befriedigt. Er hatte dem Heimatlosen, der sich in der Kathedrale aufwärmte, für diesen Dienst ein königliches Sa lär bezahlt. Danach hatte er Alden angerufen, der sich am unteren Ende der Kirche befand, aber er konnte nicht auf ihn warten. Er musste sofort herausfinden, was der Metallgriff bedeutete. Leonardo schlüpfte erneut unter dem Band durch, ging zu der Statue des Erzengels und legte sich dahinter flach auf den Boden. Beim Hochdrücken des Knaufs spürte er einen Widerstand. Die Mauer hinter ihm öffnete sich. Eine schmale, von starken Lampen beleuchtete Treppe führte in die Tiefe. Er schlüpfte durch die Öffnung und eilte die Steinstufen hinunter. Sein Herz klopfte rasend. Wer hatte vor ihm das Licht angezündet? Kein Laut war zu hören. Die finstere Atmosphäre trieb ihn weiter. Kannte Weser dieses unterirdische Gewölbe? Er sah die diabolischen Skulpturen und eine grausige Ahnung erfüllte ihn. Er begann zu rennen. Ein markerschütternder Schrei durchdrang das Gewölbe. Leonardo verwandelte sich in einen Pfeil, der davonschoss. Den leeren Raum mit dem Kristallleuchter, dem Tisch und dem Wandbild durchquerte er blitzartig. Ein düsterer Gang lag endlos vor ihm. Der Schrei hallte in seinen Ohren. Von Weitem roch er Kerzenduft und sah den Eingang zu einem halbdunklen Raum. Er betrat das Gewölbe. Aiyana lag blutüberströmt auf dem Altar. Leonardo brüllte seine Pein laut heraus.
    Weser stand über Aiyana gebeugt.
    Der Schmerz zeriss Leonardo innerlich. Mit einem Satz sprang er auf den Steinsockel. Wie von Sinnen schlug er auf Weser ein, der ihm einen Hieb mit seinem Dolch versetzte. Leonardo brüllte, stieß ihn vom blutüberströmten Altar hinunter und sprang hinterher. Hass zerfraß ihn. Der Arzt konnte nicht ausweichen. Leonardo umfasste Wesers Hals, getrieben von flammendem Zorn, der den Tod seines Gegners verlangte.
    Weser stach seinen Dolch in Leonardos Oberarm. »Diesmal wirst du mich nicht aufhalten.«
    Leonardo ignorierte den stechenden Schmerz. Seine Finger gruben sich zerstörend in das Fleisch des Mannes. Eine kurze Umdrehung und der Mann würde Aiyana nie mehr etwas antun können.
    Der Arzt drehte sich und rammte Leonardo die Klinge in den Bauch, die sich tief in seine Eingeweide bohrte.
    Leonardo verschluckte sein Würgen und schlug mit einem ruckartigen Hieb dem Arzt auf die Nase und zertrümmerte sie. Den Geruch von Aiyanas Blut, das an den Händen des Arztes klebte, lenkte Leonardo ab. Er brüllte erschrocken auf, als Weser den Dolch von rechts nach links durch seinen Bauch zog und ein Inferno entfachte. Keuchend schleuderte Leonardo seinen Fuß in Wesers Gesicht. Die Knochen knackten splitternd. Die Augen standen unnatürlich aus den eingebrochenen Höhlen. Weser taumelte zurück, drehte sich und stach blindlings auf ihn ein.
    Leonardo zerschmetterte mit seiner Handkante den Ellbogen von Weser und fing den Dolch auf, der durch die Luft flog. Tief rammte er die Klinge in den Bauch seines Gegners. Der Mann stöhnte japsend. Leonardo ließ den Dolch fallen. Mit beiden Händen packte er den Kopf des Arztes und drehte ihn, bis er sich mit einem knirschenden Geräusch von seinem Rumpf löste.
    Ein Blutschwall ergoss sich aus dem zuckenden Leib, der auf den Boden krachte und nach einem letzten Aufbäumen erstarrte. Leonardo sackte zusammen, der Schmerz in seinem Magen kehrte zurück. Mühsam ging er zum Altar und zeriss die Seile, die Aiyana fesselten. Vorsichtig hob er den blutüberströmten Körper auf. Schritte näherten sich. Seine Muskeln spannten sich an und Adrenalin durchschoss ihn wie eine Flutwelle.
    Er starrte Alden an, der vor ihm stand. »Gleich neben der Kirche ist das St. Lukes Hospital«, sagte Alden keuchend.
    Leonardo sprang vom Altar und eilte durch das finstere Gewölbe zur Treppe. Er fürchtete, dass es zu spät war. Aiyanas Seele hatte aufgehört zu flimmern. Er sah nicht mal einen feinen Lichtschimmer um ihren Körper herum.
    Er durchquerte das Kirchenschiff bis zum Ausgang. Die Menschen schrien auf, als sie Aiyana sahen, und wichen zur Seite. Leonardo rannte die Straße entlang. »Aiyana bitte verlass mich nicht.« Er wiederholte die Worte unzählige Male wie ein Mantra. Die Straßenlampen beschienen mit ihrem
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