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Fesseln der Unvergaenglichkeit

Fesseln der Unvergaenglichkeit

Titel: Fesseln der Unvergaenglichkeit
Autoren: Karin Kolb
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Brüstung, um Iwans Nervosität zu entkommen und betrachtete die Musiker.
    Die Dissonanzen beim Stimmen der Instrumente tönten vertraut. Er spielte selbst Geige, hatte sich aber dagegen entschieden, sein Leben in einem Orchestergraben zu verbringen.
    »Ich habe sie noch nie tanzen sehen.« Iwans Stimme klang rau vor Aufregung.
    Leonardo gab keine Antwort. Seine Gedanken kreisten ununterbrochen um die Frau mit der schönen Seele. »Ich muss sie wiederfinden«, flüsterte er, als das Licht ausging und die Ouvertüre erklang.
    Der Vorhang ging auf und ein Bauernbursche sprang über die Bühne, gefolgt von einem Schwarm junger Frauen mit kunstvoll hochgesteckten Haaren.
    »Da ist sie.« Iwan sprach viel zu laut, was ihm von seinem Nachbarn sofort eine ärgerliche Rüge einbrachte. Die Bauernmädchen überquerten auf ihren Spitzenschuhen mühelos die Bühne.
    »Angelina ist die Beste.« Iwan flüsterte und seine Stimme klang, als ob er eine seltene Erscheinung miterlebte.
    Die Musik wechselte und die Tänzerinne n verteilten sich nach hinten, als die Solistin herauskam.
    Leonardo erstarrte. Die Frau aus dem Park tanzte als Bauernmädchen ein paar Meter vor ihm über die Bühne. Ihre Seele formte einen Reigen, der sich perfekt der Musik anpasste. Wie feinste Laserstrahlen umspielte der Lichthauch die grazile Gestalt.
    »Das ist sie.« Leonardo sprang auf. Sie zog ihn magisch  an.
    Iwan knurrte grollend und packte Leonardos Arm wie einen Schraubstock. »Angelina gehört mir.«
    Leonardo spürte dankbar den Schmerz in seinem Arm und setzte sich. Er träumte nicht. Blitzschnell riss er Iwan das Programm aus der Hand. Er musste ihren Namen erfahren. »Aiyana«, murmelte er. Er spürte den fremdartigen Klang, der sich über seinen Körper verteilte, und verfolgte jede ihrer Bewegungen.
    »Angelina! Sie heißt Angelina, und sie liebt mich.« Iwan beugte sich zu Leonardo und seine Worte fegten wie ein Gewitter über Leonardo hinweg.
    »Ich spreche von Aiyana. Sie ist die Frau vom Park.«
    Iwan sah die Solistin an und zuckte mit den Schultern. »Könntest du bitte aufhören, in Rätseln zu sprechen?«
    »Ich erkläre es dir später.« Leonardo starrte bewegungslos auf die Bühne.
    Die Musik wechselte. Aiyana hob ein Bein senkrecht in die Luft und blieb wie eine Statue sekundenlang stehen. Ein Gegenstand schoss in Aiyanas Richtung. Leonardo schnellte hoch. Sein Sprung über den Orchestergraben verwandelte ihn für das Publikum in einen unsichtbaren Schatten. Seine Hand umschloss das Metallgewicht, das Aiyanas Rücken streifte, bevor Leonardo es wegreißen konnte. Sie sackte mit einem Schrei in seinen Armen zusammen. Er drückte sie beschützend an sich.
    Ihr Duft nach Akazienhonig traf ihn mit solcher Heftigkeit, dass er taumelte. Sie berührte seinen Bauch, Flammen der Begierde durchschossen ihn. Seine Fangzähne schoben sich hervor. Eine Hand drückte auf seine Schulter. »Beherrsche dich!« Iwans Stimme zischte wie eine Schlange. »Du hast uns genug Schlamassel eingebrockt. Kein Mensch kann ein Metallgewicht auffangen.«
    Der weinrote Vorhang schloss sich, wie von Geisterhand geführt und dämpfte den Lärm des Publikums, das aufgestanden war und wild durcheinander schrie.
    »Wie willst du deine Heldentat erklären? Weißt du eigentlich, was du angerichtet hast?«
    Ein kräftiger Mann mit einem Telefon in der Hand kam über die Bühne auf sie zu. »Es könnte eine Rückenverletzung sein, sie darf nicht abgelegt werden.«
    Leonardo nickte und drückte Aiyana an sich.
    »Der Theaterarzt ist krank, aber der Notarzt ist auf dem Weg.« Der kräftige Mann, der neben sie getreten war, drehte sich zu den Tänzern, die verloren dastanden und Aiyana entsetzt ansahen. Einige schluchzten unbeherrscht. »Macht Platz, die Ambulanz wird gleich kommen.«
    Leonardo bebte vor unterdrückter Anspannung. Er wusste, dass sich die Rettungswagen der Menschen mit der Geschwindigkeit einer Schnecke durch die Straßen von Manhattan bewegten. Er beobachtete Aiyana. Sie war immer noch ohnmächtig und ihre Seele flackerte. Er fühlte sich hilflos. Folgte jedem Atemzug. Sie erschien ihm verletzlich wie eine Kerzenflamme, die mit dem feinsten Luftzug erlöschen würde. Unterdrücktes Grollen entrang sich seiner Brust. Er würde nicht zulassen, dass sie starb. Er flüsterte ununterbrochen ihren Namen. Ihre Seele reagierte mit einem zarten Aufflammen. Er klammerte sich an diesen Hoffnungsschimmer und wiederholte ihren Namen wie ein Mantra.
    Ein Mann und zwei
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