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Fesseln der Sünde

Fesseln der Sünde

Titel: Fesseln der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Campbell
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Tat es aber nicht.
    Als ihr Blick über seine gemeißelten Gesichtzüge wanderte, bemerkte sie schockiert, dass er ungefähr in ihrem Alter war. Sein entschlossenes Auftreten hatte sie glauben lassen, er wäre in seinen Dreißigern. Doch jetzt, wie er mit geschlossenen Augen so da lag, sah er nicht älter aus als fünfundzwanzig. Beschämt über ihre ungeziemende Neugierde, starrte sie auf die lockeren Falten, die der Mantel über ihrem Schoß warf.
    »Sind wir bald in Portsmouth?«, fragte sie mit krächzender Stimme und blickte hoch.
    Er öffnete die Augen und sah sie prüfend an. »Nein. Wir sind noch nicht weit weg von Winchester.«
    Die Kutsche kam ruckartig zum Stehen. Charis beugte sich vor, um die Vorhänge beiseite zu schieben. Sie befanden sich auf einem riesigen Feld. Der Wechsel von befestigter Straße zu Wiese unter den Rädern musste ihre Albträume gestört haben.
    Auf dem Gelände war außer Gras nichts zu sehen. Auch kein Licht in der Ferne. Sie könnten gut und gerne tausend Meilen von wo auch immer entfernt sein.
    Das, was in Winchester wie ein vertretbares Risiko ausgesehen hatte, entpuppte sich urplötzlich als entsetzliche Bedrohung. Sie war alleine und schutzlos an einem einsamen, verlassenen Ort mit drei Männern, die sie nicht kannte. Ihre Nackenhaare stellten sich auf, und Angst schnürte ihr die Kehle zu.
    Wie konnte sie nur so naiv gewesen sein? Wie nur so schrecklich dumm? Sie tastete aufgeregt nach dem Türriegel. Vielleicht hatte sie eine Chance, in der Dunkelheit zu entkommen.
    »Was haben Sie vor?«, fragte Sir Gideon mit beiläufigem Interesse in der Stimme.
    War Gideon überhaupt sein richtiger Name?
    »Aussteigen«, murmelte sie.
    Sie spannte die Muskeln an und erwartete, dass er nach ihr griff, doch er richtete sich nur gegen das verschlissene Polster auf. Zittrig atmete sie durch die Zähne und fuhr mit ihrer panischen Suche nach dem Riegel fort.
    »Ich verspreche Ihnen, ich werde Ihnen nichts tun«, sagte er ruhig.
    »Ich weiß, was das Wort eines Mannes wert ist.«
    Ah, endlich.
    Die Tür sprang auf, und sie fiel nach vorne - aber nur um direkt in den Armen des Komplizen ihres Entführers zu landen. Sie schrie auf, während sich kräftige Hände durch den üppigen Mantel um ihre Oberarme legten.
    »Lassen Sie mich los!« Sie widersetzte sich seinem festen Griff. Ihr geschundener Körper wehrte sich gegen die ungestümen Bewegungen, doch sie kämpfte weiter.
    »Verzeihen Sie, Miss Watson.«
    Zu ihrem Erstaunen setzte Akash sie behutsam auf dem Boden ab und trat zurück. Sie hörte, wie die Kutsche hinter ihr knarrte und Sir Gideon in die Nacht sprang. Er stellte sich neben sie, groß, höflich, und mit einem im hellen Mondlicht zu sehenden fragenden Gesichtsausdruck.
    Tulliver kam dazu, in seiner Hand eine Laterne. »Was hat dieses ganze Theater hier zu bedeuten?«
    Er starrte sie an, als wäre sie dem Irrenhaus entflohen. Ihre Hysterie ebbte ab, und ihr wurde mit einem Mal schmählich bewusst, dass sie sich zum Narren gemacht hatte.
    »Miss Watson hatte den Eindruck, wir hätten sie hierher gebracht, um sie uns auf niederträchtige Weise gefügig zu machen.«
    Sowohl die Ironie in Sir Gideons Stimme als auch der irritierte Blick, mit dem Tulliver sie bedachte, zeigten ihr, welchem Trugschluss sie bei ihrem Sprung aus der Kutsche unterlegen gewesen war. Die Panik, die sie erfasst hatte, ließ nach. Sie zog den dicken Wintermantel um ihren zitternden Körper und bemerkte plötzlich, dass ihr Retter nur eine Jacke über seinem Hemd trug.
    »Sie müssen frieren.« Sie nestelte mit ihrer gesunden Hand an dem Mantel.
    »Nein«, erwiderte er scharf und ließ sie durch eine Geste wissen, sie sollte damit aufhören, berührte sie dabei aber nicht. »Mir ist nicht kalt«, sagte er dann in einem sanfteren Ton.
    »Miss Watson, wir haben angehalten, damit ich Ihre Verletzungen untersuchen kann«, sagte Akash.
    Ihr Blick wanderte automatisch zu Sir Gideon. »Sie kennen sich mit so etwas aus?«
    Die Laternen der Kutsche tauchten sein glänzendes Haar in einen Schimmer von Gold, während er den Kopf schüttelte. »Akash und Tulliver zusammen ergeben einen ganz guten Arzt. Außerdem haben wir Verbände, Salben und Laudanum zum Lindern der Schmerzen.«
    »Ich werde kein Schlafmittel nehmen.« Sie ging auf wackligen Beinen einige Schritte zurück, bis sie mit dem Rücken gegen die Kutsche stieß.
    So schlimm die Schläge auch gewesen waren, es war Felix’ Drohung gewesen, ihr ein Schlafmittel zu

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