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Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman

Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman
Autoren: Akif Pirinçci
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Reim auf das Ganze: Die Operation lag schon einige Tage hinter mir, und sie war anscheinend sehr erfolgreich verlaufen, denn ich verspürte weder eine körperliche Schwäche noch
das leiseste Anzeichen eines geistigen Verlustes. Im Gegenteil, meine Sinne waren geschärft wie nie zuvor, um nicht zu sagen geradezu kristallen. In der Zeit der Genesung freilich hatte ich wohl mit vielen Aussetzern zu kämpfen gehabt. Diese Zeit war jedenfalls komplett aus meinem Gedächtnis getilgt. Umso besser, wer brauchte schon Erinnerungen an Schmerz und Leid?
    Falls es sich jedoch tatsächlich so verhielt, so musste zumindest noch eine Naht oder, wenn diese schon entfernt worden war, eine Narbe oder zumindest eine kahle Stelle an meinem Schädel von dem chirurgischen Eingriff zeugen. Ich hob das rechte Vorderbein und tastete mit dem Pfotenballen meinen gesamten Kopf gründlich ab. Nichts. Die geschmeidige Francis-Birne wie immer. Herr im Himmel, hatte ich etwa drei Jahre im Koma gelegen? Aber selbst dann hätte eine unscheinbare Erhebung im Schädelknochen, irgendeine minimale Furche im Fell spürbar sein müssen. Ich hatte mir doch den ganzen Rummel nicht eingebildet, verdammt!
    Vielleicht doch. Eine fabrikneue Theorie kam mir in den Sinn: Ich hatte die ganze Katastrophe nur geträumt. Der Ausgang des Albtraums besaß sogar einen Namen: Pi. Hatte nicht alle Irrealität mit dem Auftauchen dieses absonderlichen Gesellen angefangen? Und der war ja eindeutig eine Traumfigur gewesen, von wegen telepathische Kommunikation und so. Bis auf einen Schönheitsfehler in meiner Wahrnehmung hatte ich demnach von Anfang an richtiggelegen. Der Traum war nämlich keineswegs mit der Erkenntnis, dass ich mir die Pi-Episode nur herbeifantasiert hätte, zu Ende gegangen, sondern hatte noch eine dramatisch
gruselige Fortsetzung erfahren. Ja, so musste es gewesen sein. Die ganze Aufregung nur wegen eines blöden Nickerchens.
    Aber wenn dem tatsächlich so gewesen war, warum hatte sich dann alles so real angefühlt? Und weshalb hatte ich mit einem Mal das Gefühl, dass mit meiner vertrauten Umgebung trotzdem etwas nicht stimmte? Ich konnte zwar nicht genau benennen, was mich nun an der wiedergewonnenen Wirklichkeit störte, doch eine leise Stimme in mir sagte, dass auch diese Wirklichkeit einen riesigen Haken besaß. Nur welchen?
    Ich ließ den Blick kreisen und spitzte gleichzeitig die Ohren. Das mich einschließende Pflanzenreich bebte und wogte im lauen Sommerwind. So weit, so gut. Das monotone Geschnatter des Nachrichtensprechers aus dem Radio in der Küche drang leise zu mir her, wenn auch das Gesagte mir diesmal wie in einer exotischen Sprache wiedergegeben vorkam. Der dumpfe, kaum wahrnehmbare Verkehrslärm der Stadt, das Summen und Brummen der Insekten und das eine oder andere abrupt zugeschlagene Fenster klangen ebenfalls, wie soll ich sagen, nicht stimmig . Ich schaute zum Bilderbuchhimmel empor. Vielleicht litt ich inzwischen an so etwas wie einem Authentizitätssyndrom, aber wanderten die Wolken aus diesem Blickwinkel betrachtet gewöhnlich nicht von rechts nach links anstatt wie jetzt andersherum? Was natürlich blanker Unsinn war, denn Wolken pflegten in der Regel dahin zu wandern, wonach ihnen gerade der Sinn stand. Ein nervöses Kribbeln bemächtigte sich meiner, und ich begann, ohne es richtig zu bemerken, ganz langsam ein- und auszuatmen, um einem Panikanfall
vorzubeugen. Ach übrigens, das mit dem Ein- und Ausatmen fühlte sich auch nicht gerade stimmig an.
    Dann jedoch schwirrte eine Schar Vögel ins Sichtfeld, und der bis dahin unterdrückte Panikanfall brach mit umso stärkerer Vehemenz aus. Nun wusste ich, was an meiner Wahrnehmung, meiner neuen Wirklichkeit nicht stimmig war: Die Vögel flogen rückwärts.

3
    Von kaltem Entsetzen gepackt, sprang ich auf die Beine. Nein, das tat ich eben nicht, sondern wünschte es mir nur. Denn ich hatte auf die Steuerung meiner Bewegungen keinerlei Einfluss mehr. Stattdessen erhob ich mich ganz gemächlich, gerade so, als würde der Film eines sich gemütlich auf die Wiese legenden Francis rückwärts abgespult. Und genau darauf lief es auch hinaus: Die Zeit bewegte sich plötzlich in die umgekehrte Richtung und damit auch der Lauf der Welt. Jedenfalls empfand, sah und hörte ich es so. Bis auf eine Ausnahme. Zwar war meine gesamte Wahrnehmung von diesem abstrusen Phänomen eingenommen, doch mein Denken schien davon kein bisschen betroffen zu sein. Meine Gedanken liefen offenkundig nicht
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