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Felidae 4 - Das Duell

Titel: Felidae 4 - Das Duell
Autoren: Akif Pirinçci
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Artgenossen hie und da verfangen, bewirken denselben Effekt. Bei einer drastischen Verengung des Halses tritt immer die Zunge heraus. Das ist ein Naturgesetz! Ach. beinahe hätte ich es vergessen: Mein Name ist Adrian.«
    Ich öffnete das Maul, um einen Schwall von Gegenargumenten, Spott über das Gesagte und wüsten Beleidigungen auszuspeien. Doch plötzlich rasteten die Kiefer ein, und mein Maul blieb offen, so daß ich allen Anwesenden ein ziemlich dummes Gesicht bot. Eine unangenehme Erkenntnis hatte mich sekundenschnell in Lähmung versetzt wie ein Giftpfeil: Er hatte recht! Scham gemischt mit Wut auf mich selber durchströmte meinen alten Schädel, und mein einziger Trost war, daß dieser nicht erröten konnte. Wie hatte ich nur ein so wichtiges Detail übersehen können? Rühmte ich mich doch sonst meiner profunden Kenntnisse unserer Anatomie. Adrians Vortrag war ein Schlag mitten ins Gesicht. Er machte mich schmerzlich auf die schleichenden Defizite des Alters aufmerksam. Ich begann langsam, Fehler zu machen. Und noch etwas Wesentliches wurde nur dadurch vor Augen geführt: Der Kerl war nicht nur schön, sondern auch noch klug. Womöglich sang er auch noch wunderschön Opern oder konnte mit Apfelsinen jonglieren.
    »Ähm, mag so sein oder auch nicht«, druckste ich herum. »Dann hat dieser Kerl ihn halt vorher mißhandelt und dann getötet und anschließend spaßeshalber stranguliert. Was macht das für einen Unterschied?«
    Adrian blickte völlig ungerührt zu dem Gehenkten auf.
    »Die Schneeschicht verhindert eine genaue Augenscheinnahme. Aber mißhandelt sieht er mir nicht gerade aus. Und auch wenn der Mörder ihn vorher umgebracht hätte, so hätte die Zunge bei der Strangulation trotzdem aus dem Maul hervortreten müssen.«
    Allmählich begann ich, im Hinterkopf Pläne zu schmieden, wie ich, ohne meinen guten Ruf gänzlich zu ruinieren, aus dieser Nummer herauskommen konnte. Wenn mir dies gelänge, wollte ich noch am selben Abend bei einem Notar eine eidesstattliche Versicherung unterschreiben, in der ich erklärte, daß ich auf das Detektivspielen für den Rest meiner Tage verzichtete.
    »Okay, du Klugscheißer«, sagte ich ein wenig zu lässig, als daß man es mir abnehmen konnte. »Aber er ist eindeutig tot, sonst würde er sich doch in unser Gespräch einmischen. Können wir uns vielleicht in diesem einen Punkt einigen? Und es war Mord, wenn auch offenbar ein sehr vertrackter.«
    »Das ist die große Frage, Francis.«
    Nein, das war überhaupt keine große Frage, jedenfalls nicht für mich, den Frührentner in spe, für den die große Frage des Lebens in Zukunft nur noch lauten würde, ob es zum Essen Fisch oder Fleisch gibt.
    »Wenn er tatsächlich umgebracht wurde, so läßt diese anatomische Ungereimtheit verschiedene Schlüsse zu«, fuhr mein Nachfolger fort und stelzte wie die Karikatur eines Detektivs mit hochkonzentriertem Gesicht im Schnee auf und ab. Prompt fielen die Mädels auch auf diese Show herein und weiteten ihre glänzenden Augen.
    »Ob der Tod gewaltsam eintrat oder nicht, mag vorläufig dahinstehen. Äußerliche Wunden sind jedenfalls nicht zu erkennen. Er kann vergiftet worden sein. Oder man hat ihm das Genick gebrochen oder durch gezielte Schläge und Tritte alle Knochen im Leib. Es muß aber zwischen dem Eintritt des Todes und der Strangulierung so viel Zeit vergangen sein, daß die Leichenstarre eintreten konnte. Das würde die Sache mit der Zunge erklären. Noch wahrscheinlicher ist jedoch, daß er nach seinem Ableben in einer Kühltruhe oder einem Kühlraum aufbewahrt worden ist, so daß er steif fror. Denn hier draußen ging das nicht. Es ist zwar ganz schön eisig, aber die Temperatur ist noch nicht unter den Gefrierpunkt gefallen. Weil die Zunge in der Mundhöhle fest fror, konnte sie nicht hervortreten.«
    «Und was hilft uns das weiter?«
    »Nun, immerhin wissen wir jetzt, daß es sich nicht gerade um Tierquälerei von der Stange handelt. Die Angelegenheit war mit reichlich Mühen verbunden. Und mit einer irrationalen Vorgehensweise. Weshalb bewahrt jemand einen Toten in der Kühltruhe auf, um ihn anschließend an einen Wasserhahn zu hängen?«
    »Ganz einfach: weil dieser Mensch vollkommen wahnsinnig ist. Verrückte sind dafür bekannt, verrückte Dinge zu tun.«
    Adrian machte abrupt unter dem Brunnen halt, als habe er einen elektrischen Schlag bekommen, und hechtete wieder zum Becken hoch. Noch einmal besah er sich die Halsgegend des Erhängten, insbesondere die
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