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Felidae 4 - Das Duell

Titel: Felidae 4 - Das Duell
Autoren: Akif Pirinçci
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Seine Stimme klang genauso, wie ich es erwartet hatte. Gekünstelt feminin, herablassend arrogant und voller Sarkasmus. Der Kerl war eine wahre Perle seiner Generation! »Wen gesehen?«
    Etwas verzögert übernahmen die drei Damen sein äffisches Getue und schauten sich genauso umständlich und fragend um, als redete ich von Feen und Trollen.
    »Na, den Mann, der gerade eben die Mauer hochgeklettert und auf der anderen Seite verschwunden ist. Er müßte von dort oben immer noch irgendwo in den hinteren Gärten zu sehen sein.«
    Ich versuchte, nicht die Beherrschung zu verlieren.
    »Ein Mann, sagst du?« Der Schnösel tat, als sinniere er über ein Weltproblem. »Du meinst, ein Mensch ist diese Mauer hochgeklettert? Bist du sicher, daß er vielleicht nicht geflogen ist?«
    Die Damen kicherten leise – Fabulous mit ihnen, was mir einen Stich ins Herz jagte.
    »Nein«, sagte ich resigniert. «Das ist kein Spaß, Freunde. Er ist sehr gefährlich und auf der Flucht.«
    »Das kann ich mir vorstellen«, sagte Drahthaar. »Mit einem Menschen auf der Flucht, der über Mauern klettert, anstatt ganz bequem die Gartentür zu nehmen, kann wahrhaftig etwas nicht stimmen. Vor wem ist er denn geflohen?«
    »Nun ja, er hat mich gesehen und dann ...«
    Jetzt brachen alle vier in schallendes Gelächter aus. Ich muß gestehen, daß mir die Erklärung ein bißchen krumm geraten war.
    Allmählich erholte sich Drahthaar von seinem Lachanfall und setzte eine sanfte Miene auf, als betreue er einen Pflegefall.
    »Ich kann dich beruhigen, mein Bester, hier ist niemand zu sehen, und schon gar nicht ein Mann auf der Flucht. Ein derartiger Schneefall kann leicht die Augen täuschen, besonders wenn diese, mit Verlaub, einem Baujahr vor der Jahrtausendwende entstammen. Und mit der Gefährlichkeit dieses ominösen Mannes kann es auch nicht so weit her sein, wenn er, nochmals mit Verlaub, vor dir flüchten muß. Also beruhige dich wieder und lauf zu deinem Näpfchen in die warme Stube.«
    »Wirklich erstklassige Manieren, junger Freund«, sagte ich. «Willst du auch mal einen Kommentar zu meinem Greisengebiß beisteuern, nachdem ich es, mit Verlaub, an deinem Hintern getestet habe?«
    Er runzelte die Stirn und schien nun auf einmal ernsthaft zu überlegen. Im nächsten Augenblick jedoch hellte sich seine Miene wieder auf.
    »Ich glaube, man hat mir von dir erzählt. Ja, ja, da war die Rede von einer lokalen Berühmtheit, die sich im hiesigen Revier kriminalistische Lorbeeren verdient hat. Aber ist das nicht schon sehr lange her? Alle sprachen mit Ehrfurcht von ihm, mit der Ehrfurcht vor vergangener Größe, deren einstige Taten sich in Sagen und Legenden verwandelt haben. Den Wahrheitsgehalt jener wollte freilich niemand so recht überprüft wissen. Man beschrieb mir den Helden als so etwas Ähnliches wie das achte Weltwunder, von beeindruckender Statur, sagenhaftem Scharfsinn und einem mit Mutter Theresa vergleichbaren Wesen ...«
    Dabei warf er mir einen mitleidvollen Blick zu.
    »Jedenfalls scheint an diesem öden Ort seit einer kleinen Ewigkeit nicht mehr das Schweigen der Lämmer zu hören gewesen zu sein, wenn die detektivischen Helden so aussehen und sie sich die Zeit damit vertreiben, Gespenster zu jagen. Du heißt Francis, stimmt's? Oder sollte ich besser sagen, der große alte Francis?«
    Oh, das tat weh, das tat wirklich weh!
    »Korrekt!« sagte ich betont emotionslos. »Und der da drüben ...« Ich deutete hinter mich in Richtung des Gehängten. »... ist mein Freund, die Leiche. Bevor ihr gekommen seid, haben wir eine Schneeballschlacht veranstaltet, bis er plötzlich Halsschmerzen bekam und sich zur Ruhe begab.«
    Die Köpfe der vier schnellten wie im Chor hoch, und ich sah in ihren Augen, daß sie jetzt den gleichen Schrecken durchlebten wie ich einige Minuten zuvor. Der Tote am Wandbrunnen war durch den fallenden Schnee inzwischen von einem blütenweißen Kokon eingehüllt. Was nicht weniger grauenhaft wirkte. Alle Konturen, der schlaff hängende Kopf, die angewinkelten Vorderbeine, hatten sich zu einer grotesken Unförmigkeit vergröbert. Ich wußte nicht, ob Drahthaar seine unverschämte Begrüßung bereute und nun deshalb vor Scham in Einsilbigkeit verfiel oder ob ihm bloß die Überraschung die Sprache verschlagen hatte. Jedenfalls wurde ich von einem Augenblick zum anderen Luft für ihn, und er sprang, ohne mich weiter zu beachten, die Mauer herunter und lief zum Wandbrunnen. Die drei Damen, seine treuen Schatten, kamen
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