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Feldblumen

Feldblumen

Titel: Feldblumen
Autoren: Adalbert Stifter
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unserer weiblichen Zeit steht sie zu weit voraus - ja sogar, da nie ein starker oder gar sündiger Affect an ihr sichtbar wird, oder jenes Aufkreischen oder Herumspringen, was Natur und Lebhaftigkeit sein soll, so nennt man sie kalt, sie, in deren Auge allein, wenn es in irgend einem Augenblick zum Verkünder ihres Innern wird, in einer Sekunde mehr Dichtungsfülle liegt, als in dem Herzen Anderer das ganze Leben hindurch. Diese Augen verriethen mir auch etwas, was ihr Mund bisher verschwieg - nämlich es ist mir außer allem Zweifel, daß irgend ein Weh in ihrem Leben liegt und bei gelegentlicher Erregung auf ihr Herz drückt; denn in eben diesen Augen sah ich schon ein paar Mal, zufällig erregt, nur gleichsam durchgleitend und schnell bekämpft, einen tiefen, deutlichen Blick der Trauer und Wehmuth, was um so mehr wirkt, weil sie sichtlich einen solchen Augenblick zu vermeiden sucht oder unterdrückt.
    Ich forsche nicht; aber es erschreckte mich, als ich sie vorgestern Abends am Apfelbaume lesend fand; ich war ungehört näher gekommen, und als ich sie grüßte, schlug ein erschrockenes Auge zu mir empor, das offenbar nicht gelesen hatte und das zu schnell in die größte Freundlichkeit überging.
    Aber sei es genug - wer stellt mich auch zum Wächter ihrer Augen auf?
    Eine Narrheit von mir muß ich Dir noch melden, lieber Titus. Wenn mir dieser Tage her irgend ein Mann mit einem spanischen Rohre begegnet und dem Goldknopf darauf, und ein westindisches Gesicht macht, so jage ich mir Schrecken ein, daß es bereits mein Nabob sei, mit dem ich zerfallen werde; denn Aston kündete ihn nun zuverlässig in »baldester Bälde« an, und er werde auf meine Zukunft den entscheidendsten Einfluß haben. Ich verlange aber nicht im Geringsten einen derlei Einfluß. Im Uebrigen muß der Nabob bald kommen, und der Einfluß bald beginnen; denn sonst trifft er mich nicht mehr hier, da wir, Lothar und ich, unsere Gebirgsreise, von der ich Dir schon einmal gemeldet zu haben glaube, längstens in vierzehn Tagen antreten werden.
    Lebe wohl!
     
     

12. Vergißmeinnicht und Wolfsmilch
     
    2. August 1834.
    Ich bitte Dich, bleibe bei Deinem Vorsatze und komme bald; denn ich brauche Dich hier, wie nie in meinem ganzen Leben. Zwei Dinge sind hereingebrochen, die Alles ändern und Alles zerbrechen. Lothar ist bereits zurück, und auf übermorgen ist der Postwagen nach Linz bestellt. Angela's Lehrer ist zurück - aber ich that etwas und ich erfuhr etwas, das mich auf ewig um diesen ersehnten Menschen bringen kann und muß.
    Ich bin in Verwirrung; aber dennoch will ich versuchen, Dir Alles in der Ordnung zu schreiben.
    Am dreißigsten Juli Abends ging ich zu Aston. Sie waren alle in Dornbach, sollten aber jeden Augenblick kommen; ich ging in's Musikzimmer, um ihre Rückkunft abzuwarten. Angela saß am Piano, und aus der Abendröthe strömte mir eine heitere Tonfluth entgegen, als ich eintrat. Sie stand sogleich auf, da sie mich erblickte, und kam mir mit einem strahlenden Gesichte entgegen, meldend, heute Morgens endlich sei ihr theurer Freund und Lehrer Emil gekommen, und morgen nach Tische dürfe ich keinen Pinsel mehr berühren, sondern müsse gleich in Astons Garten erscheinen, da werde er, der Oheim und Alles da sein, und sie müsse die Freude haben, zwei Menschen, wie er und ich, mit einander bekannt zu machen, »und ihr werdet euch,« setzte sie hinzu, »im Fluge lieb gewinnen und dann nie mehr von einander lassen können; das weiß ich so gewiß, als es gewiß ist, daß ich schon über eine Stunde hier auf die böse Lucie warte.«
    Ihr Gesicht schimmerte recht im eigentlichen Sinne von innerer Seligkeit, und mein Herz war schlecht genug, den Men schen um die Freude in diesen Augen zu beneiden - siehst Du, wie viel besser sie ist, als wir Alle. - Hätte sie dieß mein häßliches Gefühl nur von ferne geahnt, sie hätte gewiß ihre Freude mäßiger gezeigt - aber sie traut mir geradewegs ihr eignes schönes Herz zu.
    O Titus! Jetzt, wie ich davon schreibe, quellen die Empfindungen jener merkwürdigen Stunde wieder in mir empor, jener Stunde, die ich hervorrief und ewig, ewig, ach, ewig nicht vergessen werde können.
    Ich sagte ihr, daß ich recht gern kommen werde, setzte aber hinzu, daß die Bewillkommung sehr bald in einen Abschied übergehen werde, da ich mit Freund Lothar in einigen Tagen eine Reise nach dem Glockner antreten werde. - Denke Dir, Titus, wie mir ward, da bei diesen Worten ihr Gesicht, noch eben leuchtend von der
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