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Feind in Sicht

Feind in Sicht

Titel: Feind in Sicht
Autoren: Alexander Kent
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junger Mann. Bolitho biß sich auf die Lippen. Die Marinesoldaten waren ausgezeichnet bei Vorstößen an Land oder wenn es um Hauen und Stechen im Nahkampf ging, boten jedoch nur geringe Hilfe bei der Aufgabe, ein Linienschiff unter vollen Segeln in Fahrt zu halten.
    Er spürte den Wind, der ihm um die Beine wehte, und fügte knapp hinzu: »Das ist einstweilen alles.« Er nickte Inch zu. »Treffen Sie Vorbereitungen zum Auslaufen.«
    Bolitho entdeckte neben der Schanzpforte Joshua Tomlin, den Bootsmann, dessen scharfe Augen schnell die Männer in seiner Nähe musterten. Auch Tomlin gehörte zur ursprünglichen Besatzung: ein untersetzter, kräftig gebauter Mann, fast so breit wie groß und ungewöhnlich stark behaart. Wenn er lächelte, was er oft tat, zeigte er ein furchterregendes, fast irrsinniges Grinsen, da ihm die Vorderzähne vor vielen Jahren von einem herabstürzenden Block ausgeschlagen worden waren. Er war bekannt für seine Geduld und seine derbe gute Laune, selten bei Leuten in seiner Position. Aber es mußte selbst seine Duldsamkeit überfordern, bei dieser zusammengewürfelten neuen Besatzung die Ruhe zu bewahren, dachte Bolitho grimmig.
    Wieder schrillten die Pfeifen, und die Decks erbebten unter stampfenden Füßen, als die Männer auf ihre Stationen rannten, angetrieben von den Tritten und Flüchen der ungeduldigen Unteroffiziere, die noch nicht einmal Zeit gefunden hatten, die Namen der Männer in ihren eigenen Gruppen zu lernen.
    Bolitho griff nach Inchs Arm und zog ihn beiseite. »Der Wind hat um einen Strich gedreht.« Er sah vielsagend zum Wimpel im Masttopp auf. »Lassen Sie sofort Anker lichten, und schicken Sie Leute nach oben.« Seine Worte lösten auf Inchs Gesicht Erschrecken aus, deshalb fügte er ruhig hinzu: »Es ist besser, die neuen Leute jetzt nach oben zu schicken und auf den Rahen zu verteilen, ehe Sie weitere Befehle geben. Wir wollen doch nicht, daß die Hälfte von oben kommt, solange der Hafenadmiral uns noch durchs Fernrohr beobachtet, oder?« Er lächelte über Inchs Nicken.
    Bolitho wandte sich ab, während Inch zur Achterdecksreling eilte und sein Sprachrohr schwenkte. Er hätte Inch gern geholfen, wußte aber, wenn dieser nicht von einem weiten und gefahrlosen Ankerplatz auslaufen konnte, würde er später nie das Selbstvertrauen aufbringen, selbständig zu handeln.
    »Ankerspill bemannen!«
    Gossett trat an Bolithos Seite und sagte gelassen: »Wir bekommen Schnee, ehe die Woche vorbei ist, Sir.« Er knurrte ungehalten, als einer der Männer im Vorschiff ausglitt und mit Armen und Beinen um sich schlagend hinstürzte. Ein Unteroffizier schlug mit seinem Tampen zu, und Bolitho sah, daß der verantwortliche Leutnant sich verlegen abwandte.
    Er legte die Hände an den Mund. »Mr. Beauclerk! Die Leute halten viel besser Takt, wenn Sie ihnen einen Shanty vorspielen lassen.«
    Gossett unterdrückte ein Grinsen. »Arme Kerle. Das muß ihnen alles sehr fremd sein, Sir.«
    Bolitho atmete gepreßt aus. Inch hätte früher daran denken sollen. Bei den rund sechzehnhundert Tonnen der
Hyperion,
die am Ankerkabel zerrten, gehörte mehr als nur Muskelkraft dazu, das Ankerspill zu drehen. Die klagenden Töne der Fidel gingen im Wind fast verloren, doch als die Sperrklinke am Spill klickend faßte, rief Tomlin dröhnend: »Recht so, Leute! Wir wollen den Schlappschwänzen in Plymouth mal was zeigen, das sie so bald nicht vergessen sollen!«
    Er warf den Kopf zurück und öffnete den Mund so weit, daß einer der dabeistehenden Midshipmen vor Schreck verstört keuchte, und stimmte dann ein wohlerprobtes Shanty an.
    Bolitho blickte nach oben, um die Männer zu beobachten, die sich auf den dicken Rahen verteilten und sich schwarz und winzig wie Äffchen vom Himmel abhoben.
    Er nahm von Gascoigne, dem für die Signale zuständigen Midshipman, ein Glas entgegen und richtete es aufs Ufer. Er spürte einen Kloß in der Kehle, als er in der Ferne ihren grünen Mantel erkannte und einen Flecken Weiß, mit dem sie dem Schiff zuwinkte. In Gedanken hatte er das Bild vor Augen, das Cheney sah: der Zweidecker, der an der bereits kürzer werdenden Ankertrosse schwojte, die Gestalten, die sich an die Rahen klammerten, die rege Tätigkeit auf dem Vorschiff, wo schon weitere Leute bei den Vorsegeln bereitstanden.
    »Anker kurzstag, Sir.«
    Bolitho fing Inchs Blick auf und nickte. Inch hob sein Sprachrohr. »Vorsegel setzen!«
    Ein schneller Blick zu Gossett, aber dort gab es keinen Grund zur Sorge. Der
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