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Feind in Sicht

Feind in Sicht

Titel: Feind in Sicht
Autoren: Alexander Kent
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Boot sich von der Pier gelöst hatte, schienen die Männer an den Riemen ihr Bestes zu geben, um die flach anlaufenden, schaumgekrönten Wellen rasch zu überwinden; Bolitho, fest in seinen Mantel gehüllt, wünschte sich, die gesamte Besatzung seines Schiffes sei so gut wie die Rudergasten in diesem Boot. Denn es war Bolithos ursprüngliche Bootsbesatzung; und in ihren weißen Hosen und karierten Hemden, mit ihren sauber geflochtenen Zöpfen und gebräunten Gesichtern entsprachen sie ganz der Vorstellung, die sich eine Landratte von britischen Seeleuten machte.
    Das Boot arbeitete stärker im Seegang, je weiter es sich vom Land entfernte; Bolitho lehnte sich zurück, um sein Schiff zu beobachten, das langsam hinter sprühender Gischt und Nieselregen auftauchte, bis es mit aufragenden Masten und Rahen und den sauber festgemachten Segeln fast den Horizont verdeckte. Es war ein normaler Anblick, aber immer wieder wurde Bolitho davon beeindruckt.
    Früher einmal, als er – fast noch ein Kind – auf sein erstes Schiff kam, das etwa ebenso groß gewesen war wie die
Hyperion,
hatte es ihm weit mehr als nur gelinde Furcht eingeflößt. Jetzt mußte es den neu angemusterten Männern so erscheinen, dachte er, sowohl den Freiwilligen wie auch den aus einem gesicherten Leben an Land zur Marine gepreßten.
    Allday schwang die Ruderpinne herum und steuerte das Boot unter dem hohen Bug des Schiffes durch, so daß die vergoldete Galionsfigur, der Sonnengott, seinen Dreizack unmittelbar über ihre Köpfe zu strecken schien.
    Bolitho hörte das Trillern der Pfeifen und sah die bei der Schanzpforte bereits angetretenen Marinesoldaten in ihren scharlachroten Röcken, das Blau und Weiß der Offiziere und dahinter das Gedränge ihm noch unbekannter Gestalten.
    Er fragte sich, was Inch, sein Erster Offizier, über diesen Augenblick vor dem Auslaufen denken mochte. Er fragte sich auch, was ihn veranlaßt haben mochte, diesen jungen Offizier zu behalten, da doch zahlreiche dienstältere Leutnants bereit waren, ein so begehrtes Kommando zu übernehmen. Der nach dem Kommandanten ranghöchste Offizier hatte immer eine Chance, konnte sogar hoffen, nach dem plötzlichen Tod seines Kommandanten oder dessen Aufstieg befördert zu werden.
    Als Bolitho das Kommando über sein altes, mit vierundsiebzig Kanonen bestücktes Schiff übernommen hatte, fand er Inch als Fünften und jüngsten Offizier vor. Der Dienst auf See, fern vom Land und oft auch fern von der Flotte, hatte den jungen Leutnant Sprosse um Sprosse die Karriereleiter hinaufgeführt, als ein Offizier nach dem anderen gefallen war. Als der Erste Offizier sich das Leben nahm, hatte Bolithos Freund Herrick bereitgestanden, dessen Posten zu übernehmen; doch dann hatte Thomas Herrick im Rang eines Kapitäns das Schiff verlassen und ein eigenes Kommando bekommen. Damit hatte sich Leutnant Francis Inch – schlaksig, mit einem Pferdegesicht und immer einsatzwillig –, eine Chance geboten. Aus Gründen, die Bolitho selbst nicht richtig durchschaute, war es ihm ermöglicht worden, sie wahrzunehmen. Doch bei dem Gedanken, zum erstenmal als Stellvertreter des Kommandanten das Schiff in Fahrt zu bringen, mochte ihn sein neuer Status mit Unbehagen und nicht geringer Besorgnis erfüllen.
    »Boot ahoi?« Der übliche Anruf klang von der Bordwand des Schiffes herab.
    Allday legte die Hände an den Mund.
»Hyperion.«
    Als die Riemen gehoben waren und der Buggast das Boot an der Kette anhakte, schüttelte Bolitho den Mantel ab, preßte seinen Säbel an die Hüfte und sprang schnell zur Schanzpforte hinauf. Ihm wurde nicht einmal die Luft knapp, und er fand sogar Zeit, bewundernd daran zu denken, was gute Ernährung und regelmäßiger körperlicher Einsatz für jemanden bewirken konnten, der sich an das bewegungsarme, beengte Bordleben gewöhnt hatte.
    Als sein Kopf über dem Schanzkleid auftauchte, brachen die Pfeifen in ein schrilles Trillern aus, und er sah die zackige Bewegung der Musketen, als die angetretenen Marinesoldaten präsentierten.
    Inch salutierte nervös. Seine Uniform war vom Regen durchnäßt, so daß Bolitho annahm, er hätte das Achterdeck seit Tagesanbruch nicht mehr verlassen.
    Der Lärm verebbte, und Inch sagte: »Willkommen an Bord, Sir.« Bolitho lächelte. »Danke, Mr. Inch.« Er sah sich nach den zuschauenden Männern um. »Sie sind fleißig gewesen.«
    Inch blickte zu der Bootsbesatzung hinunter und wollte sie schon anrufen, als Bolitho gedämpft sagte: »Nein, Mr. Inch. Das
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