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Feenring (German Edition)

Feenring (German Edition)

Titel: Feenring (German Edition)
Autoren: Linda Robertson
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Angehörige des Lucusi aus und sagte abschließend: »Das ist Lydia Whitmore.«
    Bis zu diesem Augenblick war Nana vollauf damit beschäftigt gewesen, die griesgrämige, nicht mehr ganz zurechnungsfähige alte Schachtel zu spielen, die alle Hände voll damit zu tun hatte, ihr Zigarettenetui aus ihrem Morgenmantel zu fischen und dabei den Eindruck zu erwecken, gar nicht richtig hinzuhören, während sie jeden Namen mit einem halbherzigen Nicken quittierte.
    Doch als Lydias Name fiel, hielt sie inne. Bedächtig, doch angespannt drehte sich Nana um. Dann blinzelte sie, als ließe ihre Sehkraft allmählich nach, was aber nicht der Fall war. Dieses Gesicht machte sie, wenn sie Ekel zeigen wollte. Eine Miene, die für gewöhnlich der Erwähnung von Pflegeheimen, Bingo und Antirauchergesetzen vorbehalten war.
    Die unangenehme Stille hielt an, anfällig wie eine Seifenblase.
    »Hallo, Demeter.«
    Nana schob sich eine Zigarette zwischen die Lippen und zündete sie an, ohne ihren streitsüchtigen Blick von der zuletzt eingetroffenen Frau abzuwenden. Sie nahm einen Zug und blies aus dem Winkel ihres schmalen Mundes Rauch an die Zimmerdecke. Ich war fest davon überzeugt, dass sie in diesem Augenblick fähig gewesen wäre, Blechbüchsen zu zerkauen und anschließend Nägel auszuspucken.
    »Lydia Whitmore«, zischte Nana, ohne vorher die Zigarette aus dem Mund zu nehmen, »spricht mit mir?« Ihr Flüstern klang wie eine brennende Lunte. Eine sehr kurze. »Nach sechsundfünfzig Jahren?«
    Lydia stand zögernd auf. »Ich gehe.«
    Nana riss die Zigarette aus dem Mund und fuchtelte damit herum, als sie fortfuhr: »Oh nein, hinsetzen, Lydia! Du bleibst und isst, was dir am Tisch meiner Großmutter vorgesetzt wird.« Aus ihrer rauen Stimme sprachen Sarkasmus und eine bedrohliche, unterschwellig brodelnde Wut. Während sie Lydia beharrlich anfunkelte, schlurfte Nana in die Küche.
    Im nächsten Augenblick lief ich ihr sprachlos nach.
    Aber da Beverley am Küchencounter stand und aß, verkniff ich mir die auf der Hand liegende Frage. Die Küche war von Frühstücksdüften erfüllt, und Johnny schichtete Pfannkuchen auf eine Servierplatte. Zur Freude der Kleinen wirbelte er einen durch die Luft und fing ihn mit ihrem Teller auf.
    Binnen Minuten war alles fertig, und Johnny schob mir eine Platte mit Rührei hin. Dann nahm er die übrigen Servierplatten, auf denen sich Pfannkuchen und Würstchen stapelten, steuerte damit den Esstisch an und bedeutete mir mit einem Nicken, ihm zu folgen. Als er das Frühstück vor der begeisterten Hexenschar absetzte, fischte er einen Pfannkuchen vom Stapel und wickelte ein Würstchen darin ein. »Ich bringe Beverley zur Schule.« Noch während er das Zimmer verließ, schlug er die Zähne in sein Frühstück. »Bin gleich wieder da«, fügte er, schon in der Diele, hinzu, ehe die beiden aus dem Haus gingen.
    »Danke«, rief ich ihm nach und sah auf die Uhr. Fünf vor halb neun. Die Sonne ging im Herbst so spät auf!
    Zwar hatte Johnny mich aus der Küche zurück zu meinen Gästen befördert, doch war ich eine hoffnungslos schlechte Gastgeberin. Ich wusste nicht, was ich sagen oder tun sollte. Mich bei Lydia entschuldigen? Oder lieber bei Nana? Die Frauen ringsum füllten ihre Teller und hauten rein. Sie erwarteten gar nicht, dass ich irgendwas in Ordnung brachte; für sie hatte ich nichts falsch gemacht. »Setz dich und iss mit uns«, sagte Vilna-Daluca.
    Ich setzte mich. Ich hörte den Motor von Nanas LeSabre stottern und aufheulen. Eigentlich hätte ich Beverley zur Schule bringen müssen. Unser Tagesablauf stand so schon auf dem Kopf. Obwohl ich sicher war, dass Johnny Beverley etwas zu essen eingepackt hatte, glaubte ich nicht, dass er eine der Haftnotizen aus dem Witzebuch im Küchenschrank dazugelegt hatte. Beverley war meine Angelegenheit.
    »Ist es überhaupt sicher?« Ich sprach leise, trotzdem verstummten alle Gespräche am Tisch, und niemand rührte sich mehr.
    »Was?«, wollte Vilna-Duca wissen.
    »Dass Beverley zur Schule geht? Nach allem, was sie durchgemacht hat, nach dem Verlust ihrer Mutter und dem, was gestern passiert ist. Vielleicht sollte sie doch zu Hause bleiben.«
    »Sie trägt die Halskette«, ließ sich Nana aus der Küche vernehmen. »Die Feen können ihr nichts tun.«
    Ich drehte mich auf meinem Stuhl um, um sie sehen zu können. »Aber ist es gut, dass sie hingeht? Hat sie geschlafen? Ist sie … «
    »Ich habe mit ihr gesprochen«, beruhigte mich Nana nochmals.
    Ich stand auf.
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