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Fatal - Roman

Titel: Fatal - Roman
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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nicht aus dem Haus zu lassen. Das
Basteln von papiernen Schneeflocken konnte warten. Da sie ihn nicht wecken wollte, gab sie ihm keinen Kuss. Stattdessen versetzte sie Oreo Figaro, der am Bettende zusammengerollt in einer Pappschachtel schlief, einen Klaps. Sie knipste die Lampe wieder aus und schlich aus dem Zimmer. Nun hatte sie fünfzehn Minuten mehr Zeit für sich, und das wollte sie ausnutzen.
    »Toll siehst du aus!«, urteilte Connie, als sie Ellen die Treppe herunterkommen sah. Ellen hatte sich umgezogen. Sie trug eine hellbraune taillierte Cordjacke und braune Wildlederstiefel über ihrer engen Jeans. Sie hatte die Haare geföhnt und sogar ihren Eyeliner wieder zum Einsatz gebracht. Überhaupt hatte sie sich mit dem Make-up mehr Mühe gegeben als sonst. Ein Treffen mit Marcelo stand auf dem Plan, und sie war sich nicht sicher, ob sie als heißer Feger oder als brave Angestellte auftreten sollte - vielleicht ein wenig von beidem?
    »Will hat ein bisschen Fieber. Es ist besser, wenn er zu Hause bleibt.«
    »Eine gute Entscheidung«, meinte Connie. »Draußen sind es fünf Grad unter null.«
    »Ach du Schande!« Ellen nahm ihren schwarzen Daunenmantel aus dem Wandschrank.
    »Macht’s euch gemütlich. Vielleicht kannst du ihm was vorlesen?«
    »Okay.« Connie holte die Zeitung aus ihrer Einkaufstasche. »Dein Artikel über den alten Mann, der Tauben dressiert, hat mir gut gefallen.«
    »Danke.« Ellen schlüpfte in den Mantel. Die Ärmel fühlten sich eng an. Vielleicht war die kurze Cordjacke doch keine gute Idee gewesen.

    »Die anderen Kinderfrauen lesen deine Artikel auch. Ich bin schon richtig berühmt.«
    »Lass schon mal Autogrammkarten drucken«, empfahl Ellen mit einem Lächeln. Ihr war klar, dass eine alleinstehende Journalistin mit einem adoptierten Kind bei Connies Kolleginnen Neugier weckte.
    »Kommst du nach Hause wie immer?«
    »Ja. Und danke für alles. Ich mag es überhaupt nicht, wenn ich mich nicht von ihm verabschieden kann. Gib ihm einen dicken Kuss von mir.«
    »Klar.« Connie hielt bereits den Türknauf in der Hand.
    »Sag ihm, dass ich ihn liebe.«
    »Das werde ich.« Connie öffnete die Tür, und widerwillig verließ Ellen das Haus. Ein eisiger Wind schlug ihr ins Gesicht. Der Himmel über ihr ähnelte einer Schale aus mattem Zinn. Wie gerne würde sie kehrtmachen, Connie nach Hause schicken und sich selbst um ihr krankes Kind kümmern. Doch schon fiel die Tür hinter ihr ins Schloss.
    Sie dachte nicht mehr an Timothy Braverman, bis sie im Büro war.

4
    Ellen schob ihre ID-Karte in den Schlitz und betrat mit einem Pappbecher Kaffee in der Hand das Zeitungsgebäude. Sie hatte vorgehabt, sich voll und ganz auf ihre Storyidee zu konzentrieren, doch ihre Gedanken wanderten zu Timothy Braverman. Über einen dämmrigen Korridor gelangte
sie in den hellen Newsroom, der eine Häuserzeile breit und drei Stockwerke hoch war.
    Altertümliche Jalousien sorgten dafür, dass das Sonnenlicht gedämpft durch die großen Fenster fiel. Auf blauen Schildern standen die Namen der Abteilungen: Lokal, National, Wirtschaft, Newsdesk, Online-Redaktion und so weiter. Auf dem Weg zu ihrem Schreibtisch bemerkte sie, dass sich alle vor den gläsernen Redaktionsbüros versammelt hatten. Marcelo stand in der Mitte.
    Das bedeutet nichts Gutes.
    Ihre Freundin Courtney Stedt kam in grünem Fleecehemd und Jeans auf sie zu. Sie war eine Freiluftfanatikerin mit Hippieneigungen und berühmt für ihren Napfkuchen. Wenn sie so finster dreinblickte wie jetzt, stimmte etwas nicht.
    »Sag mir bitte, dass hier eine Party gefeiert wird«, bat Ellen.
    »Als Journalistin darf ich nicht lügen.«
    Gemurmel und nervöses Lachen erfüllten den Raum, Unruhe hatte alle ergriffen. Ellen suchte sich einen Platz neben Courtney. Jetzt dachte sie nicht mehr an Timothy Braverman, sie dachte an Arbeitslosigkeit und an ihre Hypothekenzinsen.
    Marcelo bat um Ruhe, es wurde still, alle Köpfe wandten sich ihm zu. Er war schlank und so groß, dass er alle überragte. Sein dickes dunkles Haar hing ungewohnt zerzaust über dem Kragen. Seine dunkelbraunen Augen wirkten angespannt, er runzelte die Stirn.
    »Erst einmal allen einen guten Morgen«, sagte er mit seiner dunklen, sanften Stimme. Sein portugiesischer Akzent war unüberhörbar. »Es tut mir leid, den Tag damit
beginnen zu müssen, aber ich habe schlechte Nachrichten. Leider müssen wir wieder Leute entlassen.«
    Jemand grummelte etwas Abfälliges, sonst waren alle wie erstarrt. Ellen und
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