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Fast ein bisschen Frühling - Capus, A: Fast ein bisschen Frühling

Fast ein bisschen Frühling - Capus, A: Fast ein bisschen Frühling

Titel: Fast ein bisschen Frühling - Capus, A: Fast ein bisschen Frühling
Autoren: Alex Capus
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herunterstürzenden Betondecke erschlagen.
    Waldemar Veltes Bruder, der kleine Lothar mit dem Fahrtenmesser, erhielt kurz vor Kriegsende noch Gelegenheit, sich im Kampf zu bewähren. Er kehrte mit einem Bauchschuss zurück, der nie wieder ganz heilen sollte, nach dem Krieg verließ er Deutschland, »um die Sache mit Waldemar zu vergessen«, wie seine Schwester Hilde sagte. Er verbrachte sein Leben als Ingenieur in Persien, kehrte 1966 mit Darmkrebs nach Deutschland zurück, ließ sich operieren, starb 1971 und wurde beigesetzt in der Ruhestätte der Familie Velte. Der Friedhof liegt idyllisch zwischen einer Pferdeweide und einem Wäldchen. Wenn im Winter die Bäume kahl sind, kann man ihn vom Wohnzimmer der Veltes aus sehen.
    Bonnie und Clyde überfielen zwei weitere Banken in Lancaster und Kansas und erbeuteten dabei insgesamt 6800 Dollar. Am ersten April 1934 erschossen sie in Grapevine, Texas, zwei Polizisten auf Verkehrsstreife, fünf Tage später einen Beamten in Miami, Oklahoma. Dann wurden sie verraten von ihrem Bandenmitglied Henry Methvin, den sie am sechzehnten Februar aus dem Gefängnis befreit hatten und der sich für den Verrat zuvor eine mildere Gefängnisstrafe ausgehandelt hatte. Am Morgen des dreiundzwanzigsten Mai 1934 lauerte eine Spezialeinheit von Texas-Rangers und FBI-Agenten an der Landstraße bei Arcadia, Louisiana. Als der sandfarbene Ford V8 um Viertel nach neun Uhr auftauchte, eröffneten die Beamten ohne Warnung mit schweren Maschinengewehren das Feuer. Bonnie und Clyde wurden getroffen von 167 Kugeln. Den durchlöcherten Wagen mit den beiden Leichen schleppten die Polizisten ins Städtchen, als Spektakel für die Menge. Die rechtmäßige Besitzerin forderte ihn zurück und vermietete ihn für zehn Dollar pro Woche als Attraktion für Grillpartys, Geschäftseröffnungen und Rodeos. Heute steht der Ford V8 in Whiskey Pete’s Casino Hotel in Stateline, vierzig Meilen südlich von Las Vegas. Mit ausgestellt ist ein zerfetztes und blutdurchtränktes Hemd, das Clyde Barrow an seinem Todestag getragen haben soll.
    Waldemar Veltes kleine Schwester Hilde hatte schwer unter den Taten ihres Bruders zu leiden. In der Schule zeigten die Kinder mit dem Finger auf sie, Freundinnen wandten sich von ihr ab, Vereine schlossen sie aus. Sie blieb zeitlebens ledig und wohnte stets im Elternhaus, wo sie nacheinander Vater und Mutter bis zu deren Tod pflegte. Es war für sie ein schrecklicher Moment, als ich sie ausfindig machte und schriftlich um ein Gespräch bat. »Ich hatte gehofft, dass nach dieser langen Zeit endlich Gras über die Sache gewachsen sei«, sagte sie mir Tage später am Telefon. Dann fragte sie, was ich denn wissen wollte, und wir redeten eine gute Stunde lang.
    Die Basler Banklehrlinge Haitz und Siegrist wurden kurz nach dem Überfall arbeitslos, da die Wever-Bank Konkurs ging. Siegrist rettete sich in die Rekrutenschule, fand danach eine Stelle an der Basler Universitätsbibliothek und kehrte nie mehr ins Bankgeschäft zurück. Der kleine Haitz verlagerte seine Interessen von den Mädchenbeinen hin zur Nationalökonomie und brachte es bis zum Basler Staatskassier.
    Kurt Sandwegs und Waldemar Veltes Gräber wurden bei der Umgestaltung des Friedhofs 1959 ausgehoben. Der Humus wurde auf einem rechteckigen Grundstück zwischen vier Fußwegen verteilt, und der Friedhofsgärtner säte Rasen an.
    Willi Kollo sang »In Deine Hände« ab 1933 im Berliner »Kabarett der Komiker«. Telefunken entdeckte das Lied und nahm es mit dem berühmten Tenor Marcel Wittrisch auf. 1934 hörte man es aus allen Fenstern und über alle Radiosender Deutschlands, der Schweiz und Österreichs; ab 1936 in der englischen Version – unter dem Titel »My Heart Was Sleeping« – auch im übrigen Europa, in Kanada und den USA. Dank des Lieds fand Kollo ein Auskommen bis nach dem Krieg. Als politischer Kabarettist hatte er seit Januar 1933 Berufsverbot.
    Die Pension der Hedwig Vetter an der Sperrstraße wurde im März 1934 aus gesundheitspolizeilichen Gründen geschlossen. Ohne Gäste konnte die Wirtin die Pacht nicht mehr zahlen, musste aus dem Haus ausziehen und stand im Alter von siebenundfünfzig Jahren mittellos auf der Straße. In ihrer Not nahm sie die Einladung eines alten Stammgasts an, der sich in einem gemütlichen kleinen Chalet am Titisee zur Ruhe gesetzt hatte. Sie besorgte ihm den Haushalt und ließ sich von ihm den Hof machen, heiratete ihn und lebte glücklich bis ins hohe Alter.
    Die junge Wirtin Johanna
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