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Farm der Tiere

Farm der Tiere

Titel: Farm der Tiere
Autoren: George Orwell
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»Das habe ich nicht gewollt. Ich hatte ganz vergessen, daß ich ja Hufeisen trage.
    Wer wird mir glauben, daß ich das nicht absichtlich getan habe?«
    »Keine Sentimentalitäten, Genosse!« rief Schneeball, aus dessen Wunden immer noch Blut tropfte. »Krieg ist Krieg. Nur ein toter Mensch ist ein guter Mensch.«
    »Ich mag niemandem das Leben nehmen, nicht einmal einem Menschen«, wiederholte Boxer mit Tränen in den Augen.
    »Wo ist Mollie?« rief plötzlich jemand.
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    Mollie fehlte tatsächlich. Für einen Augenblick herrschte große Bestürzung; man befürchtete, die Menschen könnten ihr vielleicht ein Leid angetan oder sie gar mit sich weggeschleppt haben. Doch schließlich fand man sie in ihrem Stall, wo sie sich, mit dem Kopf im Heu der Futterkrippe, versteckte. Sie war gleich beim ersten Flintenknall geflohen. Und als die anderen von ihrer Suche nach Mollie zurückkamen, da entdeckten sie, daß der Stallbursche, der in Wahrheit nur betäubt gewesen war, sich bereits erholt und auf und davon gemacht hatte.
    Die Tiere hatten sich jetzt in heller Aufregung
    wiederversammelt, und ein jedes zählte noch einmal so laut es nur konnte seine eigenen Ruhmestaten in der Schlacht her. Man hielt sogleich eine improvisierte Siegesfeier ab. Die Flagge wurde aufgezogen und ›Tiere Englands‹ etliche Male
    abgesungen, dann erhielt das Schaf, das gefallen war, ein feierliches Begräbnis, und auf sein Grab pflanzte man einen Weißdornbusch. Am Grab hielt Schneeball eine kleine
    Ansprache, in der er die Notwendigkeit betonte, daß alle Tiere nötigenfalls bereit sein müßten, für die Farm der Tiere zu sterben.
    Die Tiere beschlossen einstimmig, eine militärische
    Auszeichnung zu schaffen, ›Tierheld erster Klasse‹, die an Ort und Stelle Schneeball und Boxer verliehen wurde. Sie bestand aus einer Messingmedaille (eigentlich waren es irgendwelche alten Pferdespangen, die sich in der Geschirrkammer gefunden hatten), die an Sonn- und Feiertagen zu tragen war. Es gab auch den ›Tierheld zweiter Klasse‹, dieser wurde dem toten Schaf posthum verliehen.
    Man diskutierte des langen und breiten darüber, wie die Schlacht genannt werden sollte. Zuguterletzt bekam sie den Namen die ›Schlacht am Kuhstall‹, weil dort der Hinterhalt gelegt worden war. Mr.Jones' Flinte hatte man im Schlamm gefunden, und es war bekannt, daß im Farmhaus ein
    Munitionsvorrat lag. Man beschloß, die Flinte am Fuß des
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    Fahnenmastes wie ein Geschütz aufzustellen und zweimal im Jahr abzufeuern - einmal am zwölften Oktober, dem Jahrestag der Schlacht am Kuhstall, und einmal am Johannistag, dem Jahrestag der Rebellion.
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    KAPITEL V
    Je näher der Winter rückte, desto beschwerlicher wurde es mit Mollie. Sie erschien jeden Morgen zu spät zur Arbeit und entschuldigte sich damit, verschlafen zu haben; desgleichen klagte sie über mysteriöse Schmerzen, obwohl ihr Appetit ausgezeichnet war. Sie lief unter jedem nur erdenklichen Vorwand von der Arbeit weg und ging zur Tränke, wo sie dann ganz närrisch stand und ihr eigenes Spiegelbild im Wasser betrachtete. Doch es gab auch noch bedenklichere Gerüchte über sie. Als Mollie eines Tages vergnügt auf den Hof geschlendert kam, kokett den langen Schweif hin und her schwang und auf einem Strohhalm kaute, nahm Kleeblatt sie beiseite.
    »Mollie«, sagte sie, »ich habe dir etwas sehr Ernstes zu sagen.
    Heute morgen habe ich gesehen, wie du über die Hecke geschaut hast, die die Farm der Tiere von Fuchswald trennt.
    Einer von Mr. Pilkingtons Leuten stand auf der anderen Seite der Hecke. Und - ich war zwar ziemlich weit weg, doch ich bin mir fast sicher, es gesehen zu haben - er sprach mit dir, und du hast ihm sogar erlaubt, dir die Nase zu streicheln. Was hat das zu bedeuten, Mollie?«
    »Hat er nicht! Hab ich nicht! Stimmt überhaupt nicht!« rief Mollie, bäumte sich auf und scharrte auf dem Boden.
    »Mollie! Sieh mir ins Gesicht. Gibst du mir dein Ehrenwort darauf, daß dir der Mann nicht die Nase gestreichelt hat?«
    »Stimmt überhaupt nicht!« wiederholte Mollie, doch sie konnte Kleeblatt nicht ins Gesicht sehen, und im nächsten Augenblick gab sie Fersengeld und galoppierte aufs Feld davon.
    Kleeblatt hatte einen blitzartigen Einfall. Ohne den anderen etwas zu sagen, ging sie zu Mollies Box und stöberte mit ihrem Huf im Stroh. Unter dem Stroh verborgen lagen ein kleines Häufchen Würfelzucker und etliche Bündel verschiedenfarbiger Bänder.
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    Drei Tage später verschwand
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