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Fantastik AG

Fantastik AG

Titel: Fantastik AG
Autoren: Jan Oldenburg
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beim Imbiss am Bahnhof
    Theodor starrte auf das brutal leere Blatt hinab.
    Nach einer Weile fügte er hinzu:
    Â 
    Siebter Platz beim Dosenwerfen auf dem Schulfest in der dritten
Klasse.
    Und noch etwas später:
    Â 
    Meine Lieblingsfarbe ist Blau.
    Oder Grau.
    Vielleicht eher Graublau.
    Nun, das ging doch gar nicht so schlecht. Das Blatt füllte
sich.
    Das Telefon klingelte.
    Theodor ließ es klingeln.
    Professor Welk legte den Hörer auf. Der Student war wohl
immer noch nicht zu Hause.
    Der Professor
machte sich wieder an die Expeditionsplanung.
    Theodor starrte an die Decke.
    Zum Glück war ihm doch noch die rettende Idee gekommen. Wenn er hier
einfach ganz still liegen blieb und sich nicht rührte, würde ihn die
Wirklichkeit früher oder später einfach vergessen und ihre penetranten
Annäherungsversuche aufgeben.
    Außerdem hatte es etwas Meditatives, das Klingeln des Telefons
mitzuzählen, das eben schon wieder angefangen hatte.
    Elf. Zwölf.
    Der Student atmete tief durch.
    Dreizehn. Vierzehn. Fünfzehn.
    Er richtete sich auf.
    Sechzehn.
    Es schien sich doch um etwas Dringendes zu handeln.
    Siebzehn.
    Na gut, sagte sich Theodor. Vielleicht sollte ich rangehen. Wenn es
was Unangenehmes ist, kann ich ja immer noch auflegen.
    Er nahm den Hörer ab und meldete sich mit:
    Â»Theodor Welk.«
    Ein kurzes Schweigen am anderen Ende der Leitung folgte.
    Dann sagte eine Theodor aus zahlreichen Vorlesungen wohlbekannte
Stimme:
    Â»Guten Abend, Herr … Welk. Hier spricht Professor Welk.«
    Professor Welk legte auf. Es hatte ihn einige Mühe
gekostet, den etwas nervösen Studenten davon zu überzeugen, dass es nicht um
die überfällige Seminararbeit über Zauberringe aus dem vorletzten Semester
ging. Glücklicherweise war auch das Thema der Namensverwandtschaft nicht berührt
worden.
    Insgesamt, fand Professor Welk, der lange nicht einen solchen
organisatorischen Aufwand betrieben hatte, konnte er mit sich zufrieden sein.
    Die fachliche Kompetenz des jungen Mannes war zweifellos fragwürdig,
aber die eigentliche wissenschaftliche Arbeit würde ja auch der Professor
selbst leisten.
    Theodor stand vor der Wohnungstür und war bemüht sich
durch das Ordnen seiner Kleidung und Glattstreichen seiner Haare in eine
möglichst seriöse Erscheinung zu verwandeln. Darüber hinaus brauchte er einige
Zeit, um nach dem anstrengenden Treppensteigen zu verschnaufen. Schließlich
überwand er sich und drückte auf den Klingelknopf unter dem Schild: Prof. Dr. phil. Dr. phant. H. C. Welk . Als der Professor
wenige Augenblicke später die Tür öffnete, dachte Theodor: Ich hab’s bis heute
nicht geglaubt, aber er ist tatsächlich so klein, wie er im Hörsaal immer
ausgesehen hat, eher sogar noch kleiner.
    Er ist tatsächlich so gewaltig, wie er aus der Entfernung
ausgesehen hat, dachte der Professor und trat einen Schritt zurück, um das
menschliche Gebirgsmassiv namens Theodor Welk in der Totalen erfassen zu
können. Dann sagte er:
    Â»Guten Abend, Herr … Welk«, und sah auf seine Armbanduhr, »Sie
sind ja sehr schnell gewesen.«
    Â»Es sind auch nur drei Stockwerke«, antwortete der Student und
fügte, als die verständnislose Miene des Professors eine genauere Erklärung
forderte, hinzu: »Ich meine, ich wohne drei Stockwerke unter Ihnen.«
    Â»So«, sagte Professor Welk. Und weil dieses eine Wort angesichts
der jüngsten Enthüllung doch etwas wenig schien, fühlte er sich verpflichtet,
darüber hinaus noch zu sagen: »Das ist ja sehr interessant.«
    Damit war der Gesprächsstoff erst einmal erschöpft, und es folgten
einige Momente verlegenen Schweigens, bis sich der Professor endlich besann und
sagte: »Aber bitte, kommen Sie doch herein.«
    Schon im Flur nahmen die Bücherregale ihren Anfang, und als sie zwischen ihnen hindurchschritten, war es
Theodor, als sprächen die Abertausenden Bände zu ihm mit dem
vielstimmigen Flüstern und Raunen eines tiefen Wissens.
    Â»Gehen wir doch ins Arbeitszimmer«, schlug Professor Welk vor,
öffnete eine Tür und bedeutete dem Studenten mit einer Geste einzutreten.
    Zwanzig Minuten später stand Theodor wieder im Treppenflur
und fragte sich, ob er alles richtig verstanden hatte.
    Ganz allgemein schien es um die größte
Entdeckung in der Geschichte der Phantastik zu gehen, um Ruhm, Erfolg und für
ihn, Theodor, um
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