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Fantastik AG

Fantastik AG

Titel: Fantastik AG
Autoren: Jan Oldenburg
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inzwischen siebzehn Semester zurückliegenden Praktikums beim Bahnhofsimbiss kennengelernt, dessen
Besitzer einen Doktorgrad in Phantastik besaß und großartige Vorträge über die
»performativen Rahmenbedingungen mündlicher Epentradierung am Hof des
Elfenkönigs Halfar III « halten konnte, während er
Pommes frittierte und Buletten brutzelte.
    Seit dieser Erfahrung war der Student zu jener Sache auf Distanz
gegangen, die man da draußen die wirkliche
Welt nannte. Er betrieb die Phantastik um der Phantastik willen. La
phantastique pour la phantastique, sozusagen, ein finanziell nur mäßig rentables
Geschäftsmodell.
    Jetzt allerdings hatte die Wirklichkeit nicht bloß zaghaft, sondern
lautstark mit der Faust bei ihm angeklopft, und zwar in Form eines Briefes, der
bedrückend real auf dem Tisch in seiner kleinen Studentenbude lag.
    Er hatte gleich ein schlechtes Gefühl gehabt, als er von der Vorlesung
nach Hause gekommen war und den Brief in der Post gefunden hatte.
    Er hätte ihn einfach ignorieren sollen.
    War es dafür schon zu spät?
    Theodor stellte sich vor, wie er den Brief zusammenfaltete und in
dem Kuvert verstaute, es sorgfältig verklebte und wieder in den Briefkasten
steckte, in seine Wohnung zurückkehrte, die Tür verschloss und sich in seine
phantastische Bibliothek vertiefte. Er sah sich im Zeitraffer am Schreibtisch
sitzen, sah seinen Bart und seine Haare wachsen und langsam grau werden,
während die nächsten 45 Semester wie im Flug verstrichen und der Briefkasten
mit den aktuellen Einkaufstipps überquoll, die tief unter sich den verhängnisvollen
Brief begruben, wie drei Meter Erde einen geschwätzigen Zeugen, der zu viel
wusste.
    Eine verlockende (wenn auch etwas mafiöse) Vorstellung, die nur
leider aller Voraussicht nach so nicht funktionieren würde.
    Der Student seufzte.
    Er las den Brief noch einmal (er kam vom Studiensekretariat):
    Â 
    Â»Sehr geehrte/r Frau/Herr (Unzutreffendes streichen),
    wir bedauern Ihnen mitteilen zu müssen, dass das von Ihnen
belegte Studienfach an unserer Universität nicht länger angeboten werden kann.
Wir wünschen Ihnen für Ihre Zukunft jedoch alles Gute und hoffen …«
    Theodor, Exstudent der Phantastik, ließ sich mutlos auf
sein Sofa sinken und ächzte unter dem Gewicht der sogenannten wirklichen Welt (und seinem eigenen) .
    Â»Freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte der
Universitätsdirektor und reichte Professor Welk jovial die Hand, wobei er
leicht in die Knie gehen musste.
    Insgeheim dachte er: Meine Güte, er sieht fast selbst wie eine
seiner Märchengestalten aus, mit seinem verhutzelten Gesicht und dem krausen
Ziegenbärtchen, beinahe wie ein … na ja wie ein, ähm, Gnom oder so.
    Der Direktor der Universität war
sehr erstaunt gewesen zu erfahren, dass es an seiner Hochschule allen Ernstes
ein Institut für Phantastik gab. Er hatte das immer für einen Witz gehalten,
eine Bezeichnung für Studiengänge, deren Absolventen später höchstens in ihrer
Phantasie Geld verdienten, z. B. die Geisteswissenschaften.
    Nicht weniger hatte es ihn überrascht, dass Professor Hieronymus C.
Welk, die beliebte akademische Sagengestalt, offenbar tatsächlich existierte.
    Schon zur Studienzeit des Direktors hatte man scherzhaft über
Langzeitstudenten jenseits des 20. Semesters gesagt, sie/er promoviere
bei Professor Welk .
    Â»Ich habe noch eine Vorlesung bei Professor Welk« bedeutete
dagegen soviel wie Schwänzen .
    Wie alt mag er wohl sein?, dachte der Direktor, als er jetzt in das
ausgesprochen gnomige und von Faltenschluchten zerfurchte Gesicht des
Phantastikdozenten blickte, hundert Jahre, zweihundert?
    Erst vor kurzem hatte der Direktor spaßeshalber auf einer Sitzung
über den Haushalt des nächsten Quartals gesagt: »Zur Not können wir ja immer
noch das Budget des phantastischen Instituts kürzen.«
    Alle hatten herzlich gelacht, besonders die Betriebswirtschaftler.
    Wenig später hatte er dann einen Brief aus dem Bildungsministerium
bekommen, in dem die Auflösung des Instituts für Phantastik bekanntgegeben
wurde, eine bedauerliche, aber sparpolitisch alternativlose
Maßnahme , wie man sich vonseiten des Ministeriums ausdrückte.
    Daraufhin hatte der Direktor ein wenig nachgeforscht und erfahren,
dass das Institut für Phantastik 1807 unter der Leitung von Professor
Dr. Johann Friedrich
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