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Fantastik AG

Fantastik AG

Titel: Fantastik AG
Autoren: Jan Oldenburg
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Nebensächlichkeit zur
Kenntnis nimmt, während er gerade mit Wichtigerem beschäftigt ist.
    Stille folgte.
    Dann fing der Professor wieder an zu murmeln:
    Â» …und in ihrer Habilitationsschrift aus dem Jahr 1927 schreibt
Jorgensdotter über das Problem transuniversaler Korrelation …«
    Theodor stand auf.
    Plötzlich war der wütende Entschluss in ihm aufgeflammt, sich nicht
in sein sinnloses Schicksal zu ergeben, solange noch ein Funken Leben in ihm
war.
    Er tastete in der Dunkelheit nach dem Brecheisen, fand es und
hämmerte verbissen damit auf die Wand ein.
    Noch später, lange nachdem der Student jede Hoffnung
aufgegeben hatte, Raum 043a lebend zu verlassen, stellte er eine Frage, die
sein weitgehend eingetrocknetes Gehirn in den letzten Stunden beschäftigt
hatte.
    Er sagte mit heiserer Stimme in die Richtung, aus der das leise
Atmen des Professors kam:
    Â»Ist Ihnen eigentlich auch aufgefallen, dass wir denselben Nachnamen
haben?«
    In der folgenden Stille glaubte Theodor hören zu können, wie sich
die Atemfrequenz des Professors kurz veränderte.
    Â»Ja«, kam schließlich die Antwort aus der Finsternis. »Es ist mir
auch aufgefallen.«
    Der Student schwieg nachdenklich und sagte dann:
    Â»Vielleicht sollten wir uns duzen.
Ich meine, jetzt wo wir gerade zusammen diese … Extremsituation erleben und
so …«
    Â»Finden Sie?«, antwortete der Professor.
    Nach Theodors missglückten Versuchen, sich selbst einen
Weg in die Freiheit zu bahnen, hatten sie sich darauf verlegt, um Hilfe zu
rufen, hatten gegen die Tür und gegen die Heizungsrohre gehämmert, in der
Hoffnung, dass sie jemand hörte.
    Alles ohne den geringsten Erfolg.
    Mittlerweile hatten sie sich in ihr Schicksal ergeben. Immerhin
konnten sie, dank der Schlafsäcke, die sie für die Expedition dabeihatten, einigermaßen bequem schlafen. Zu mehr als
Schlafen reichten ihre Kräfte auch kaum noch aus.
    Um zu vermeiden, an sein Leben zurückdenken zu müssen, das jetzt
offenbar ein angemessen sinnloses Ende nehmen sollte, hatte Theodor irgendwann
damit begonnen, leise die siebenhundertsiebzehn elfischen Bezeichnungen für
Licht aufzusagen, zumindest diejenigen, an die er sich erinnerte. Ab und zu
ergänzte Professor Welk, wenn der Student nicht weiterkam.
    Â»Lyvanaié«, murmelte Theodor in der Finsternis von Raum 043a:
Mondlicht, das wie silberner Tau der Nacht auf Blütenblättern liegt.
    Â»Anewaín«, sagte Professor Welk: Licht, das wie das Blut des
Rubins aus dem Herzen der untergehenden Sonne fließt.
    Â»Telo«, sagte der Student und schloss die Augen, ohne dass sich
dadurch die Sichtverhältnisse geändert hätten: Licht, das wir nur in unserem
Innern sehen.
    In dieser Nacht geschah das Wunder.
    Professor Welk glaubte zuerst, er träume oder beginne zu halluzinieren.
    Ihm war es, als beuge sich ein Gesicht zu ihm herab, ein Frauengesicht,
dessen Schönheit weit jenseits des Beschreibbaren lag. Er fühlte die zarte
Berührung von Lippen auf seiner Stirn, den lindernden Hauch eines kühlen Atems,
und alle Schwere, die bis dahin auf ihm gelegen hatte, war von ihm genommen.
    Der Professor, wie erwachend, richtete sich auf und gewahrte wenige
Schritte von sich entfernt eine schlanke, von silbernem Licht umflossene
Frauengestalt, die auf die Wand zuschritt.
    Warte!, wollte er rufen, aber die Erscheinung war bereits verschwunden,
war wie durch einen Nebel durch die Wand geschritten. Jetzt erinnerte sich der
Professor, dass die Gestalt Flügel gehabt hatte, große weiße Schwanenflügel –
und als promovierter Phantastiker sagte er konsequenterweise nicht ›Ein
Engel!‹, sondern: »Eine Lichtelfe!«
    Â»Sie haben sie auch gesehen?«, fragte der Student, der sich
ebenfalls in seinem Schlafsack aufgesetzt hatte, wie der Professor in dem
matten Schimmern erkannte, das im Raum zurückgeblieben war.
    Â»Sie etwa auch?«, antwortete der Professor, »ich dachte …«
    Wie auf Verabredung erhoben sie sich gleichzeitig und eilten, ohne
sich weiter über die ihnen plötzlich wiedergegebenen Kräfte zu wundern, zur
Wand hinüber.
    Professor Welk streckte die Hand nach der Mauer aus, und es war, als
griffe er in substanzlose Nebelschleier. Der Student starrte den Dozenten an,
dessen Arm bis über den Ellenbogen in der Wand versank.
    Â»Gehen wir?«, fragte der
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