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Familienpakt: Kriminalroman (German Edition)

Familienpakt: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Familienpakt: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Jan Beinßen
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außerhalb des Universitätsbetriebs aneignen. Man fängt nach dem Studium ja sowieso bei null an, so ist die Ausbildung aufgebaut. Jeder einigermaßen Begabte lernt innerhalb von drei Jahren Praxis alles, was in der Chirurgie nötig ist.«
    »Unglaublich«, meinte Schnelleisen.
    »Dass über einen so langen Zeitraum hinweg sämtliche internen Kontrollmechanismen versagt haben, lag wohl hauptsächlich an Bartels überzeugendem und einnehmendem Wesen. Er überspielte sein Halbwissen mit seiner selbstbewussten und souveränen Art, so lauten jedenfalls die Aussagen der Befragten nach seinem ersten Gastspiel als falscher Doktor in Thüringen. Bartels, der sich beim ersten Mal übrigens Dr. Klaus nannte, erschien mit blütenweißem Kittel auf der Station, seine Stifte akkurat in der Brusttasche angeordnet. Er hinterließ einen freundlichen und aktiven Eindruck und zeigte im Smalltalk mit den Kollegen medizinischen Sachverstand. Er kannte alle seine Patienten beim Namen und spielte mit einigen nach Feierabend Karten. Kurzum: Er war beliebt.«
    »Trotzdem.« Schnelleisen schien noch immer nicht überzeugt zu sein. »Machen Sie im Klinikum ja kein Fass auf. Bloß kein Zugriff im üblichen Format! Wir rücken ohne Blaulicht an.«
    »Aber …« Jasmin Stahl verschlug es die Sprache. »Aber es ist schon alles am Laufen. Die Kollegen sind unterwegs. Und ich im Übrigen auch.«
    »Dann hauen Sie die Bremse rein! Sofort! Ich möchte im Klinikum nur einen kleinen Trupp haben. Sie werden sich höflich bis zu Bartels durchfragen und ihn freundlich bitten, Sie für ein Gespräch ins Präsidium zu begleiten.«
    »Aber …«
    »Kein weiteres Aber!«, bestimmte Schnelleisen. »Meine Anordnungen sind ohne jede Einschränkung zu befolgen.« Er brach die Verbindung ab.
    Jasmin Stahl kam der Anweisung ihres Chefs wider besseren Wissens nach und gab einen Funkspruch durch. Auch das Martinshorn des Wagens, in dem sie selbst mitfuhr, wurde abgeschaltet. Die Folge ließ sich absehen. Schon bald würden sie im dichten Nachmittagsverkehr stecken bleiben. Auf nicht mal halber Strecke zum Klinikum.

    Wie auf heißen Kohlen saß Jochen am ovalen Tisch im Obergeschoss des Redaktionsgebäudes und lauschte einem nicht enden wollenden Monolog des Chefredakteurs. Mit der heutigen Themenauswahl der Lokalredaktion war der akkurat gescheitelte und mit markanter Hornbrille ausgestattete Zeitungsboss alles andere als zufrieden und forderte von Jochen und seinem Kollegen Nachbesserungen.
    Jochen spürte den Vibrationsalarm seines Handys. Eine SMS-Eingangsbestätigung. Er hielt das Phone unter der Tischplatte und las die Nachricht:
    ›Habe gerade einen Hund auf den Tisch bekommen. Angefahren. Kann jetzt nicht weg. Suchst du Konrad allein?‹
    »Verflixt!«, fluchte Jochen leise. Eine ähnliche Bitte wollte er gerade an seinen Bruder schicken, denn auch er konnte sich angesichts der Zornesröte im Gesicht seines Chefredakteurs unmöglich so bald aus dem Staub machen.
    Unter dem Vorwand, kurz aufs Klo zu gehen, schlich sich Jochen aus dem Konferenzraum, um seiner Mutter Bescheid zu geben. Er musste ihr sagen, dass sie diesmal nicht auf ihre Söhne zählen konnte, aber sich sicher sei, dass Konrad sich schon bald bei ihr melden werde.
    Er ließ das Telefon lange läuten. Doch Doris nahm nicht ab. Nachdenklich sah er auf das Display seines Handys. Dann wählte er die Nummer von Burkhards Tierarztpraxis.
    »Gib dem Hund ein Schmerzmittel und schwing dich in dein Auto.« Jochens Tonfall ließ keinen Widerspruch zu. »Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl. Wir treffen uns im Südklinikum. So schnell es geht!«

    Jasmin kauerte auf der Rückbank des Streifenwagens und nagte an den Fingernägeln. Sie steckte in der schlimmsten Krise, die sie in dem Job jemals hatte durchstehen müssen. Sie kam mit Schnelleisens Entscheidung nicht klar. Alles in ihr sträubte sich dagegen, ihrem Vorgesetzten zu folgen. Doch sie war ihm dienstrechtlich unterstellt und durfte sich nicht offen gegen ihn auflehnen. Andernfalls würde ein Disziplinarverfahren auf sie zukommen, womöglich sogar eine Rückstufung. Das konnte sie sich nicht leisten; weder in Hinblick auf ihre weitere berufliche Laufbahn, noch wegen des Geldes, das sie brauchte.
    Ihr verlangte es danach, sich auszusprechen und Dampf abzulassen. Sie sehnte sich nach einem einfühlsamen Gesprächspartner, der ihr Trost spenden und Zuversicht vermitteln konnte. Am liebsten hätte sie den Polizeiwagen rechts ranfahren lassen und wäre
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