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Fallera

Fallera

Titel: Fallera
Autoren: Jörg Juretzka
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hin und verputzt eine Abmauerung? Und wozu? Für Schönheit? Nein. Für mehr Stabilität? Dann hätte er wohl kaum Lehm genommen, oder? Ja, Lehm. Oder, und das war gar kein schöner Gedanke, oder um eine unter Umständen giftige, wenn nicht sogar explosive Gasquelle abzudichten? Nachdenklich kratzte ich ein bisschen an dem Putz herum, ein kleiner Placken fiel ab und...

Kapitel Elf
    »Die menschliche Natur birgt weit mehr Gefahren
    für die eigene Gattung als sämtliche Wüsten,
    Gebirge und Ozeane zusammen.«
    J. P. SARTRE
     
    Der Lichtstrahl traf mich auf meiner blinden Seite.
    »Glauben Sie mir, Kryszinski, es fällt mir nicht leicht, das einzugestehen, aber ich habe Sie vollkommen unterschätzt.«
    >Drei, meine ich<, hatte Christine auf meine Frage nach der Anzahl der Mercedes-Insassen geantwortet. Solche Äußerungen muss man immer noch mal hinterfragen. Ich machte mir eine geistige Notiz für die Zukunft. Oder was davon blieb. Die paar Sekunden.
    »Ich hatte so eine Vorahnung, als Sie es tatsächlich bis zum Transporter geschafft haben und das Ding auch noch in Gang brachten, und ich war nicht wirklich überrascht, als ich später den Rauch aufsteigen sah, doch als Sie dann auch noch zurückgekommen sind, begann ich mir das erste Mal wirklich Sorgen zu machen.«
    »Reden Sie nicht so viel«, sagte ich, schluckte einmal kurz und hart und schmeckte den Schweiß auf meinen Lippen und spürte das Zittern in meinen Gliedern, bevor ich die beiden schwierigsten Worte meines Lebens hervorpresste, »schießen Sie!«
    Wenn ich irgendetwas hasse, dann diese Szenen, in denen der
    Filmbösewicht sich gegen Ende noch mal langatmig um Kopf und Kragen redet, anstatt den Guten umzunieten, solange er im Vorteil ist, und Schluss.
    Alfons Biesenbichler teilte meine tiefe Unzufriedenheit mit billiger James-Bond-Dramaturgie nicht. Er ignorierte meinen Einwurf und sprach weiter. »Und nun sehe ich Sie nicht nur im Begriff, sich Sigismunds und der beiden anderen Trottel zu entledigen, sondern Sie haben auch noch das Gold gefunden! Ich bin baff vor Staunen.«
    »Nun machen Sie schon!«, brüllte es aus mir heraus. Ich kann nicht warten, konnte es noch nie, anscheinend noch nicht mal auf mein Ende. Und diese verrückte Hoffnung auf eine Wendung wie im Film, wo es den geschwätzigen Wahnsinnigen dann doch noch ereilt, und das Bewusstsein, dass dies kein Film war und mein Tod, mein eigener Tod, Ende meines Daseins, unmittelbar bevorstand, rüttelten an mir wie Sturmböen an einem Fahnenmast. Die irrsten Gedanken und Gefühle durchjagten mich, wallten mit Macht in mir auf und wurden im gleichen Moment wieder niedergeschmettert, es war wie das emotionale Äquivalent zu >Mit-dem-Fass-den-Niagara-runter<.
    Gott, wie ich das hasse, wenn es sich dann quälend zieht wie Kaugummi, während der Darsteller des Bösen sich grimassierend durch den schwachsinnigen Text hangelt, bis man aus seinem Sessel aufspringen und schreien möchte, so wie ich in >Dick Tracy< aus dem Klappsitz aufgesprungen bin, als Madonna zu Warren Beatty sagte: >Sie wissen nur noch nicht, ob Sie mich schlagen oder küssen wollen<, und ich quer durch das Kino geschrien habe >Nun schlag sie schon, die Nutte!<, doch - wo kam das jetzt her? Irrste Gedanken und Gefühle, haken wir es darunter ab.
    »Gleichzeitig machen Sie mir meinen ganzen schönen Plan zunichte.« Der Scheinwerfer war weiterhin mit erstaunlicher Ruhe auf meinen Kopf ausgerichtet.
    Jetzt schießt er, dachte ich. Jetzt ist er das noch losgeworden, und jetzt schießt er dich über den Haufen, und ich fragte mich, ob auf die Knie zu sinken und zu flehen etwas zu ändern vermochte. Man hat nur dieses eine verdammte Leben, und wenn man nur eine Sekunde darüber nachdenkt, ist es im Letzten alles, was man hat.
    »Gott sei Dank bin ich Politiker und somit gewöhnt, mich und meine Pläne den Erfordernissen anzupassen.«
    Mein Gott, nun hör endlich auf zu sabbeln, dachte ich, selbst mit einem Bein im Grab noch in der Lage, genervt zu reagieren.
    »Deshalb können Sie sich entspannen. Ich muss meinen Plan ändern, und das bedeutet, ich brauche Sie und Ihre Talente noch.«
    Hatte ich richtig gehört? Konnte ich meinen Ohren trauen? Tränen der Erleichterung und des Glücks schossen mir in die Augen, ich würgte, um ein Schluchzen zu unterdrücken, ich spürte eine unfassbare Dankbarkeit, ich fühlte Freundschaft, ja Liebe für diesen Mann, diesen wundervollen, großzügigen Mann, der mich leben ließ, leben! Und sei es nur
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