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Fallera

Fallera

Titel: Fallera
Autoren: Jörg Juretzka
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Ende steiler neigenden Teil des Hanges erreicht und sich, als auf sie geschossen wurde, instinktiv in den Schnee und Frau Doktor dabei von sich geworfen. Noch als sie längst außer Sicht gerodelt war, konnte man ihr melodisches Kreischen hören. Schuss auf Schuss knallte nun, doch es war unmöglich zu sagen, ob einer der drei wild hangabwärts wirbelnden Körper getroffen wurde. Sie kamen bis an die Stelle, in die man den Pfad geschlagen hatte, und fielen außer Reichweite.
    »Meinst du, Ernesto findet mich attraktiv?«, fragte Christine und fischte mit der letzten sauberen Ecke ihres Tempotuchs Glaspartikel aus meinem rechten Auge, solange noch Licht dafür da war.
    Ich wollte entgegnen, dass wir zurzeit wirklich wichtigere Sorgen hatten, verbiss mir dann aber die Bemerkung. Schwer einzuschätzen, das Gewicht der Liebe.
    »Warum nicht?«, sagte ich also stattdessen und beäugte sie mit links. »Du hast diese beunruhigende Delle in der Stirn, doch mit einer etwas anderen Frisur - und die hast du wirklich nötig, glaub mir - könntest du dir die Haare drüberkämmen. Oder dir irgendwann 'ne Platte reinsetzen lassen.«
    Ja, darüber dächte sie auch nach, meinte sie und seufzte.
    »Und dann brauchtest du nur noch ein bisschen zuzunehmen, und die Kerle werden gegen die Laternen rennen, wenn du vorbeigehst.«
    Sie lachte nicht, sie kicherte nicht, aber sie gab ein, na, leicht glucksendes Geräusch der Belustigung von sich.
    »Am besten freundest du dich mit Mona an«, riet ich ihr. »Dann kommt das mit dem Zunehmen von ganz allein.«
    Schüsse fielen, begleitet vom Klang, Klang, Klang einer von Kugeln gestreiften, soliden Stahltüre. Querschläger rotierten heulend und unberechenbar den Gang hinunter.
    »Sie kommen«, sagte ich. »Einer hangelt sich das Seil hoch, und die anderen beiden schießen auf die Türe, damit wir nicht rauskommen und ihm eins überbraten, sobald er den Kopf über die Kante streckt.«
    »Aber sie wissen doch gar nicht sicher, dass wir hier sind.«
    »Der Wagen parkt unten, das Gold ist hier oben, und sie wollen kein Risiko eingehen. Verständlich, oder?«
    Die Schüsse verhallten, stattdessen konnte man ein Keuchen hören, ein Scharren, ein präzises metallisches Klicken und dann das meckerige Quietschen eines seit fünfzig Jahren nicht mehr geölten Türscharnieres. Licht schien in den Schacht von Mine
    7A.
    »Okay«, bellte eine Stimme, rau vor Aufregung, »ich hab hier alles unter Kontrolle. Kommt hoch.«
    Oh ja, dachte ich. Bitte macht das.
    Das Licht blieb unbeirrbar in den Schacht gerichtet, zusammen mit einem Gewehrlauf, davon konnte man ausgehen, verschwand dann, nachdem jemand »Gib mir mal 'ne
    Hand« gekeucht hatte, und erschien nur Augenblicke später wieder. Kurz darauf kam der Dritte auf dem >Balkon<, dem der Stahltüre vorgelagerten Absatz, an, und es wurde richtig hell, als drei Lampen den Gang ausleuchteten.
    »Schon wasch von dem Gold geschehen?«, wollte Sigismund wissen, verhalten, mit der Pfeife zwischen den Zähnen, wie es sich anhörte. Jemand machte leise »N-nh«.
    »Krischtof schon erwischt?«
    »N-nh.«
    Scharfes Spucken. Tabakkrümel, wahrscheinlich. Kehliges Räuspern. Das Tap-tap-tap eines Pfeifenkopfs gegen einen Holzpfosten.
    »Wir sollten vorsichtig sein. Es sieht mir ganz danach aus, als ob Alfons diesen Junkie komplett unterschätzt hat. Ich möchte ehrlich wissen, was da unten passiert ist.
    Habt ihr den Rauch gesehen? Also, seid gewarnt. Wir gehen jetzt systematisch vor. Wir durchsuchen jeden einzelnen abzweigenden Stollen, wobei einer immer hier im Hauptschacht bleibt. So können wir einander decken, und niemand geht uns durch die Lappen. Okay? Los!«
    Eins, zwei und drei kamen sie vorbei, hintereinander, wegen der Enge, und leicht geduckt, wegen der vielen Holzverstrebungen, die der bröckelige Fels hier nötig machte. Entlang der rechten Seite des Schachtes war man sogar so weit gegangen, die gesamte Länge einer ausgebeuteten Ader zuzumauern, wohl um zu verhindern, dass die Spalte zuschnappte wie die Kiefer eines Krokodils. Der Berg drückt, er drückt immerzu, und diese Belastung ist es, die viel von der beklemmenden Atmosphäre unter Tage ausmacht, für mich.
    Ich blieb auf dem Bauch liegen, auch als der dritte
    Helmscheinwerfer unter mir durchgezogen war, und lauschte weiter den schlurfenden Schritten und der geraunten Unterhaltung.
    »Ey, hier hat einer 'nen Strick angebunden.«
    Blau-rotes Bergsteigerseil wäre akkurater gewesen, aber wir wollen mal
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