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Falkensaga 02 - Im Auge des Falken

Falkensaga 02 - Im Auge des Falken

Titel: Falkensaga 02 - Im Auge des Falken
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geworden war.
    Der junge Falkner schloss die Augen und verband sich im Geiste mit Rihscha. Sofort sah er mit seinen Augen und erlebte das Gefühl des Fliegens mit. Es war für ihn nun schon so natürlich wie das Atmen, und der Übergang von einem Zustand in den anderen fiel ihm so leicht wie das Singen eines vertrauten Liedes.
    Der Falke war zum Hafen hinuntergeflogen und ging einer seiner Lieblingsbeschäftigungen nach. Er trieb in der sanften Brise, die über die Meeresoberfläche strich, beobachtete seinen Schatten auf den Wellen und hielt Ausschau nach einem Cirlim, dem stromlinienförmigen, grau-blauen Fisch, der gerne die Schiffe begleitete und nach Leckerbissen Ausschau hielt. Erilea mochte diese wundersamen Tiere sehr.
    Alduin brach die Verbindung mit Rihscha ab und seufzte. Das Bild von Erilea formte sich deutlich vor seinen Augen: Sie war klein und schlank. Ihre feinen Züge täuschten über ihre Widerstandsfähigkeit hinweg. Er erinnerte sich an ihr freches Lächeln und die Art, wie sie den Kopf zur Seite neigte, um ihre Empfindsamkeit und ihr tiefes Wissen zu verbergen. Wie oft hatte er in den letzten Tagen an sie gedacht! Er war sich so sicher gewesen, dass ihm die junge Wunand-Amazone bei seiner Rückkehr in der Stadt begegnen würde. Dass sie aufgebrochen war, ohne eine Nachricht zu hinterlassen, traf ihn hart. Hatte er etwas gesagt oder getan, was sie verärgert hatte? Gewiss, er konnte sie im vergangenen Jahr nicht so häufig sehen, wie ihm lieb gewesen wäre. Aber hätte sie nicht wissen sollen, dass sich ihm nur selten die Gelegenheit bot, nach Sanforan zu reisen? Ob sich ihre Gefühle für ihn verändert haben? Immerhin war sie noch sehr jung.
    Alduin litt stark unter der Enttäuschung, sie nicht angetroffen zu haben, und je länger er darüber nachdachte, desto mehr wuchs in ihm das Gefühl, dass sie ihm bewusst aus dem Weg ging.
    Er gab sich einen Ruck. Es hatte keinen Sinn, tatenlos in diesem Zimmer herumzusitzen und aus dem Fenster zu starren. Kurz entschlossen verließ er das Haus und machte sich auf den Weg zur Falkenhalle. Vielleicht würde er dort dem Falkenmeister begegnen.
     
    Brütende Hitze umfing ihn, als er festen Schrittes mitten über den menschenleeren Platz ging, vorbei an der stolzen Statue eines Falkners mit seinem erhabenen Wildfalken auf der Faust. Der sandige Boden war ausgetrocknet, und jeder Schritt wirbelte kleine Staubwolken auf.
    Stille lag über der Inneren Stadt, nur die Creeka zirpten gleichmäßig. Wer in den Sommermonaten der Hitze nicht entfliehen konnte, ruhte sich nach dem Mittagsmahl im Schatten aus.
    Auch Alduin setzte die Hitze zu, und er lief schneller, um die kühlen Mauern der Falkenhalle zu erreichen. Das weiche Licht im Inneren des Gebäudes und der vertraute Geruch der Falken, der in der Luft hing, erhellten seine Stimmung schlagartig. Die Falkenhalle und vor allem die Bruthalle strahlten eine ganz besondere Atmosphäre aus. Hier auf dem großen, runden Steintisch in der Mitte versammelten sich Jahr für Jahr im Frühling viele hoffnungsvolle junge Männer, warteten mit klopfenden Herzen und trauten sich kaum zu atmen. Sie beteten zu Gilian, von den geschlüpften Falkenküken auserwählt zu werden. Mit ihnen wollten sie dann nach ihrer Ausbildung auf die mystische Reise gehen und wie die Falkner von Nymath mit den Augen ihrer Falken sehen. Keine Lehre, keine noch so gezielte Übung konnte einen jungen Mann tatsächlich auf diesen einzigartigen Moment vorbereiten.
    Alduins erste Begegnung mit dem Falkenküken war gänzlich anders verlaufen. Er war den Bund mit Rihscha ganz unerwartet in der bescheidenen Hütte eingegangen, in der er mit seiner Mutter am Fluss Mangipohr aufwuchs. Bis zu diesem entscheidenden Moment wusste er auch nicht, dass sein Vater, den er nie kennengelernt hatte, ein Falkner war. Trotzdem konnte er sich vorstellen, wie unbeschreiblich aufregend das Erlebnis, auserwählt zu sein, auch für seinen Vater, seine Freunde Rael, Twith, Gandar und viele andere hier im Herzen der Falknerei, gewesen sein musste - die Freude und der Stolz - das Wissen um eine Zukunft, die so aussichtsreich erschien. Doch konnte er auch den Kummer nachempfinden, den sein Freund Bardelph, aber auch sein einstiger Lehrer Lotan erfahren haben mussten, denen der Bund mit dem Falken versagt blieb - ein Kummer, den eine starke Persönlichkeit wie Bardelph verkraften konnte, an dem aber andere - wie Lotan - zerbrachen.
    »Bist du das, Alduin?« Meister Calborth riss
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