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Falkengrund Nr. 33

Falkengrund Nr. 33

Titel: Falkengrund Nr. 33
Autoren: Martin Clauß
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unzufrieden. Das Verschwinden des Mädchens hatte er sogar der Polizei gemeldet und eine hübsche Summe berappt, damit die Beamten ihm versprachen, sich umzuhören. Es hatte ihn Überwindung gekostet, und das nicht des Geldes wegen. Normalerweise machte er einen weiten Bogen um die hiesigen Polizisten. Mit diesem Haufen korrupter Gauner in Uniform hatte man besser nichts zu tun.
    „Ich weiß nicht, wo ich war“, erklärte Amonke. Ihre Augen hatten keinen Fokus. „Ich erinnere mich nicht. Kann ich … ist es möglich, dass ich … wieder …“
    „Komm erst einmal rein!“ Ekson war kein Unmensch. Obwohl ihm ihr Aufzug und ihr verwahrlostes Äußeres nicht gefielen, blieb sie doch sein Hausmädchen, und er konnte sie nicht hier stehen lassen.
    Amonke senkte den Kopf, ob in Dankbarkeit oder Scham, erschloss sich ihm nicht. Sie wollte hinter ihm die Tür passieren, doch er drängte sie vorauszugehen.
    Er tat es, damit er sie besser beobachten konnte.
    Ihr Gang war anders. Menschen, die einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen waren, bewegten sich nicht mehr wie zuvor. War es das? Oder war noch eine andere Veränderung mit ihr vorgegangen?
    Ich gebe dir ein paar Tage, um zu dir zu finden , beschloss er. Wenn du dann wieder arbeiten willst und kannst, soll es mir recht sein. Falls nicht … dann muss ich mir überlegen, wie ich dich am besten loswerde.

4
    Emil hielt seine Masche für unschlagbar.
    Der neunzehnjährige Sohn von Johan Ekson hatte seine CD-Sammlung in Amonkes Zimmer verlegt. Angeblich tat er das, damit sie darauf Zugriff hatte, wann immer es sie danach verlangte. Natürlich wusste er nur zu gut, dass die junge Yoruba niemals eine der zweihundert Scheiben mit original schwedischem Death Metal auflegen würde, die er aus seiner Heimat mitgebracht hatte.
    Aber darum ging es ja auch nicht.
    Ein oder zwei Mal pro Tag betrat er nach flüchtigem, kaum hörbarem Anklopfen Amonkes Zimmer. Seine Ausrede war stets die gleiche: Er wollte sich eine CD aussuchen, um sie oben in seinem Zimmer zu hören.
    Häufig war ihm das Glück hold, und er traf die junge Schöne in der einen oder anderen textilarmen Situation an. Schon früh war ihm aufgefallen, dass die Hausangestellte gegen seine ständigen Besuche wenig unternehmen wollte oder konnte. Zwar wimmelte sie ihn ab, wenn seine schwammigen Hände zu berühren versuchten, was seine wasserblauen Schweinchen-Augen sahen – seine Spanneraktivitäten an sich aber schienen sie kaum zu stören. Er schrieb das ihrem schwarzen Blut zu. Dass sie die Situation tapfer ertrug, weil sie ihre Arbeit nicht verlieren wollte, darauf kam er nicht.
    Emil hatte ein breites, blasses Gesicht, das sich bei der geringsten Sonneneinstrahlung rosarot verfärbte und auf dem die Sommersprossen manchmal zu riesigen braunen Platten anwuchsen. Obwohl er nicht außergewöhnlich fett war, haftete seinem Körper etwas Schlaffes an. Er bewegte sich ungern, es sei denn, er machte sich auf den Weg zu Amonke. Einmal hatte er sie splitternackt erwischt, eine lebendige schwarze Skulptur auf den weißen Laken, die Hüften und Schenkel verschwenderisch modelliert, die Brüste klein, die Schultern rund. Sie hatte auf der Seite gelegen und geschlafen. Emil hatte sie zwanzig Minuten lang betrachtet und dabei immer wieder dem Schöpfer dafür gedankt, geboren worden zu sein. Später hatte er sich eingeredet, sie hätte ihre Hände zwischen den Beinen gehabt und leise gestöhnt, aber das stimmte nicht. Auf die eine Hand hatte sie ihren Kopf gebettet, die andere lag still auf der leichten Decke, die zerknüllt neben ihr lag. Und sie stöhnte nicht. Ihre Atemzüge gingen lautlos und sanft.
    Seit Amonke wieder im Haus war, hatte er sich nicht mehr in ihr Zimmer gewagt. Während der letzten drei Tage war er wieder und wieder vor ihrer Tür auf und ab gegangen. Sie hatte sich verändert, doch es waren nicht die Narben, die ihn störten. Unter den Narben war sie noch so schön wie zuvor – vielleicht hatten die Verletzungen sie sogar verführerischer gemacht. Irgendetwas an ihrer Art gefiel ihm nicht. Sie hatte schon immer etwas von einem wilden Tier an sich gehabt. Von einer Antilope vielleicht oder einem schlanken schwarzen Kranich.
    Jetzt war sie eine Hyäne. Ein Schakal. Kein Löwe. Kein aufrechtes, stolzes, sondern ein verschlagenes, hinterlistiges Tier.
    Wenn sie lächelte, war es, als würden zwei Wesen lächeln. Das eine schüchtern und scheu, das andere voller Hunger und Blutlust.
    Drei Nächte lang hielt er
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