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Exit

Exit

Titel: Exit
Autoren: Jonathan Kellerman
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zu Besuch?«
    »Nur ab und zu. Er ist ein vielbeschäftigter Mann.«
    Ich las weiter. »Cindy ist erst sechsundzwanzig… vielleicht ist Vicki für sie eine Mutterfigur.«
    »Mag sein. Doch wie auch immer, ich werde sie von jetzt an strenger beaufsichtigen.«
    »Besser nicht, Steph - nicht in dieser Phase. Ich möchte in Vickis oder Cindys Augen nicht als Störenfried erscheinen. Gib mir erst die Chance, Vicki kennenzulernen. Vielleicht ist sie am Ende unsere Verbündete.«
    »Gut«, sagte sie, »menschliche Beziehungen und dergleichen sind dein Gebiet. Doch sag mir bitte Bescheid, wenn sie Schwierigkeiten macht. Nichts und niemand soll deiner Arbeit im Wege stehen.«
    Das Zimmer war vollgestopft mit Kuschelhäschen - auf den Fenstersimsen, auf dem Nachttisch und dem Fernseher - ein grinsendes, buntes Empfangskomitee.
    Die Gitter am Bett waren heruntergelassen. Darin schlief ein wunderschönes Baby, ein winziges Bündel, das sich kaum abzeichnete unter der Bettdecke. Das niedliche Gesicht mit dem Stupsnäschen war zur Seite gedreht, der rosarote Mund leicht geöffnet. Ihre Haut war wie Buttermilch, die Bäckchen voll und rosig. Glattes schwarzes Haar bedeckte einen Spitzenkragen und klebte feucht an ihrer Stirn. Mit einer Hand voller Grübchen und mit einem Daumen kaum größer als eine Perle, umklammerte sie den Deckensaum.
    Ein Klappsofa unter dem Fenster war ordentlich als Bett zurechtgemacht. Auf dem Bettrand saß eine Frau und blätterte in einer Programmzeitschrift. Als sie uns hereinkommen sah, erhob sie sich.
    Sie war etwa einsachtundsechzig groß, mit straffer Figur und sehr schmalen Hüften. Ihr Haar war genauso glänzend und dunkel wie das ihrer Tochter, mit Mittelscheitel, locker zurückgebunden zu einem buschigen Zopf, der fast ihre Taille berührte. Im wesentlichen dieselben Gesichtszüge wie die Tochter, mit einer feinen Nase und einem geraden, breiten, ungeschminkten Mund mit dunklen Lippen. Die großen braunen Augen waren blutunterlaufen.
    Kein Make-up, obwohl ihre Haut welches vertragen hätte. Eine mädchenhafte Frau von sechsundzwanzig, die ohne weiteres als Primanerin durchgehen konnte. Ihre Kleidung war einfach: kariertes Baumwollhemd, verwaschene Jeans und halbhohe Sandalen, dazu eine rosa Swatch. Und ich hatte den Star des Debütantenballs, die typische VIP-Schwiegertochter erwartet.
    »Da scheint jemand friedlich zu schlummern«, flüsterte Stephanie. »Haben Sie auch etwas Schlaf bekommen, Cindy?«
    »Ein bißchen«, sagte sie mit weicher, angenehmer Stimme. Sie brauchte nicht zu flüstern. »Cassie hat sehr gut geschlafen. Nur einmal ist sie aufgewacht, um zu schmusen. Ich hielt sie für eine Weile und sang ihr vor, bis sie wieder einschlief.«
    »Vicki sagte, sie hätte Kopfschmerzen gehabt.«
    »Ja, als sie aufwachte. Vicki gab ihr etwas Tylenolsaft; das scheint geholfen zu haben.«
    »Tylenol war genau das Richtige. Doch in Zukunft muß jedes Medikament, auch wenn es bloß rezeptfreier Saft ist, von mir genehmigt werden. Nur, um ganz sicherzugehen.«
    »Ja, sicher. Tut mir leid …«
    Stephanie lächelte. »Ist keine große Sache. Ich bin nur vorsichtig. Ich habe heute Dr. Delaware mitgebracht, den Psychologen, von dem ich Ihnen erzählt habe.«
    »Hallo, Dr. Delaware.«
    »Mrs. Jones …« Ich reichte ihr die Hand.
    »Nennen Sie mich Cindy.« Sie erwiderte meinen Händedruck mit einem scheuen Lächeln. Sympathisch. Mir wurde immer klarer, daß ich eine schwierige Aufgabe vor mir hatte.
    »Wie ich Ihnen schon sagte«, erklärte Stephanie, »Dr. Delaware ist Spezialist für Angstzustände bei Kindern. Wenn jemand Cassie helfen kann, mit dem Krankenhaus fertig zu werden, dann er. Er könnte noch heute beginnen, wenn es Ihnen recht ist.«
    »Ja, sicher, gern.« Sie sah besorgt aus.
    »Ausgezeichnet«, sagte Stephanie, »dann werde ich jetzt gehen. Oder kann ich noch etwas für Sie tun?«
    »Nein, im Moment nicht, Dr. Eves. Ich dachte nur … Haben Sie vielleicht schon etwas gefunden?«
    »Noch nicht, Cindy. Das gestrige EEG war vollkommen normal. Doch, wie wir schon besprochen haben, bei Kindern dieses Alters heißt das nicht viel. Die Schwestern haben nichts beobachtet, was einem Anfall ähnlich sähe. Haben Sie etwas bemerkt?«
    »Nein, nicht direkt…«
    »Nicht direkt?« Stephanie ging einen Schritt auf sie zu. Sie schien die andere Frau zu überragen, obwohl sie nur zwei Zentimeter größer war.
    Cindy Jones biß sich auf die Oberlippe. »Wahrscheinlich hat es nichts zu
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