Evolution
spähten.
Normalerweise jagten sie nicht gemeinsam. Wegen des trockenen
Wetters mussten die beiden aber trinken.
Dieser Teil Amerikas war von einer lang anhaltenden Dürre
heimgesucht worden. Vom Binnenmeer war nur noch ein großes
Sumpfgebiet übrig. Es wurde allmählich von Sedimenten
überlagert, die sich vom Felsengebirge nach Osten schoben. Die
Ablagerungen entstanden aus jungen Bergen, die so schnell erodierten,
wie sie entstanden waren. Und in dieser Dürreperiode war jedes
Gewässer ein Anziehungspunkt für große und kleine
Tiere.
Deshalb wimmelte es im See auch von Dinosauriern.
Da war eine Herde Triceratops, Riesen mit drei Hörnern und
einer starken Panzerung, die an einen Lampenschirm erinnerte. Die wie
überdimensionierte Nashörner anmutenden Tiere dösten
in lockeren Kreisen. Die ausgewachsenen Tiere bildeten mit den
Hörnern eine Phalanx, um nächtliche Angreifer
abzuschrecken.
Es gab auch viele Hadrosaurier mit den typischen
Entenschnäbeln. Ganze Herden hatten sich um den seichten See
versammelt und bildeten farbige Kontraste. Purga und Zweiter mussten
durch einen Wald aus Beinen huschen, als ob sie sich in einem
gewaltigen Stelenfeld verirrt hätten. Die Entenschnäbel
schliefen, doch selbst ihr Schnarchen war eine Kakophonie aus einem
tiefen, melancholischen Trompeten, Tröten und Kollern.
Schließlich erreichten Purga und Zweiter das Seeufer. Das
Wasser hatte sich zurückgezogen, und sie mussten einen aus
Geröll und getrocknetem Schlick bestehenden Abschnitt des
ehemaligen Seebodens überqueren, der mit Schleim und grünen
Pflanzen überzogen war. Purga trank hastig, mit geweiteten Augen
und zuckenden Schnurrhaaren.
Nachdem die Primaten den Durst gelöscht hatten, teilten sie
sich. Zweiter lief zum flachen Ufer hinüber und suchte nach
kleinen Sandwirbeln im Boden, die die Anwesenheit eines Wurms
markierten.
Purga lief über das Ufer zum Waldrand. Sie folgte einem
verheißungsvolleren Geruch.
Bald fand sie die Quelle des Geruchs: Es war ein Fisch. Er lag auf
einem Haufen rostbrauner Farnwedel. Der Kadaver war in der silbrigen
Haut geschrumpft. Er war weitab vom Wasser gestrandet und schon seit
vielen Stunden tot. Als Purga in die Haut des Fischs stach, platzte
sie auf. Ein übler Brodem quoll hervor – und eine wimmelnde
Masse geisterhaft fahler Maden. Purga wühlte mit den Pfoten im
Kadaver und stopfte sich die Maden in den Mund. Die salzigen
Delikatessen platzten zwischen den Zähnen und gaben leckere
Körpersäfte frei.
Plötzlich flog ein weiterer Fisch über sie hinweg und
landete tiefer im Gestrüpp. Erschrocken presste sie sich auf den
Boden. Die Schnurrhaare zuckten.
Ein Dinosaurier stand stocksteif im flachen Wasser. Er war
groß und ragte ungefähr neun Meter empor. Er hatte einen
Kiefer wie ein Krokodil und ein großes purpurrotes Segel auf
dem Rücken. Die Zähne waren gebogen, und die Hände
waren mit dreißig Zentimeter langen Klauen bestückt, die
wie Messer anmuteten. Plötzlich stieß der Saurier die
Klauen ins Wasser und zerbrach die glitzernde Oberfläche. Ein
paar silberne Fische wurden aus dem Wasser geschleudert. Sie
zappelten in der Luft, und der Dinosaurier fing die meisten mit dem
ausladenden Maul auf.
Dies war ein Suchomimus, ein auf Fische spezialisierter
Jäger. Diese Art war erst vor vergleichsweise kurzer Zeit
über die Landbrücken, die sich sporadisch zwischen den
Kontinenten bildeten, aus Afrika eingewandert. Er jagte die Fische
auf die gleiche Art wie ein Bär. Er vermochte die Beute mit den
Klauen zu packen oder mit dem Krokodil-Kiefer durchs Wasser zu
pflügen und die Beute mit den gekrümmten Zähnen
aufzuspießen. Er jagte nachts, wenn die meisten anderen
Geschöpfe seiner Größe schliefen. Dies war die Zeit,
wo die durch die Dunkelheit in Sicherheit gewiegten Fische an die
Oberfläche und ans Ufer kamen, um Nahrung zu suchen.
Im Abstand von ein paar Metern folgte ihr ein zweiter Suchomimus.
Dies war ein Männchen; wie die meisten jagenden Dinosaurier
wanderten die Suchomimus in Paaren.
Das Suchomimus-Weibchen fuhr erneut mit der Pfote durchs Wasser,
und Fische regneten aufs ausgetrocknete Ufer. Sie zappelten kurz, und
dann löschte der Erstickungstod die winzigen Flämmchen des
Bewusstseins. Das Suchomimus-Weibchen ignorierte jedoch diese leichte
Beute. Sie schien aus Spaß an der Freud’ zu jagen.
Der spähende Deinosuchus schien aber auch seinen Spaß
zu haben.
Der Deinosuchus war ein riesiges Krokodil. Er glitt fast lautlos
durchs
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