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Europa erfindet die Zigeuner: Eine Geschichte von Faszination und Verachtung (German Edition)

Europa erfindet die Zigeuner: Eine Geschichte von Faszination und Verachtung (German Edition)

Titel: Europa erfindet die Zigeuner: Eine Geschichte von Faszination und Verachtung (German Edition)
Autoren: Klaus-Michael Bogdal
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verschafft den todbringenden Aussagen des Rassismus Plausibilität. Gewalt richtet sich diskontinuierlich und mit unterschiedlicher Intensität gegen die Romvölker, die Definitionsmacht der kulturellen Repräsentationen durchdringt kontinuierlich die europäische Gesellschaft und schreibt sich in deren Gedächtnis ein. Auf ihre Weise trägt die Verwandlung der eingewanderten Romvölker in Zigeuner zur Entzivilisierung der Gesellschaft bei, indem um des vermeintlichen Selbsterhalts willen das Undenkbare einer modernen Zivilisation ausgesprochen wird, die als humane Ordnung den Menschen – d. h. jeden Einzelnen und die menschliche Gattung – als höchstes Gut anerkannt hat: die Lizenz zur Ausgrenzung und zum Töten eines Teils ihrer selbst.
    In diesem Buch wird von der Vergangenheit gesprochen, aber auch von der Gegenwart. Die Fähigkeit zur Entzivilisierung ist den europäischen Gesellschaften nicht abhandengekommen. Muster der Wahrnehmung der ›Fremden, die bleiben‹, die Bedrohungsszenarien, die Weisen der kulturellen Repräsentation sind tief in ihnen verankert und werden immer dann sichtbar, wenn die eigene Ordnung gefährdet scheint. Die Erscheinungsformen wandeln sich, wie sie sich auch im Fall der Romvölker immer wieder verändert und angepasst haben. Beginnt nicht die Geschichte von neuem, wenn die afrikanischen und arabischen Einwanderer an den Küsten Europas stranden? Wie die Romgruppen vor sechshundert Jahren kommen sie nicht selten unter falschen Namen in Europa an, verschleiern ihre Herkunft und verbreiten Legenden über die Gründe, die sie zum Verlassen der Heimat gezwungen haben. Das gleiche Räderwerk setzt sich in Gang: Das Gefühl allgegenwärtiger Bedrohung wandelt sich in Gewissheit, dass ein Zusammenleben unmöglich ist. Der zivilisatorische Abstand wird vermessen und schafft Raum für staatliches Handeln und alltägliche Diskriminierung. Und für die Roma in Ungarn, Rumänien, im Kosovo, in der Slowakei beginnt der Ausgrenzungsprozess erneut, jetzt in den heimischen Siedlungen und überall dort, wo sie Europas offene Grenzen überschreiten. Das Buch endet hier, nicht jedoch die Geschichte, die es erzählt hat.

Danksagung
    Danken möchte ich allen, die mich in den vielen Jahren der Arbeit an diesem Buch auf Werke, bildliche Darstellungen und wissenschaftliche Abhandlungen zum Thema aufmerksam gemacht, und vor allen Dingen denjenigen, die mich auf Texte in Sprachen, deren ich nicht mächtig bin, hingewiesen und mir bei der Übersetzung geholfen haben.
    Besonderer Dank gilt der Volkswagenstiftung, die mich zwischen 2007 und 2009 in ihr großzügiges Opus-Magnum-Programm für Geisteswissenschaftler aufgenommen, und der Universität Bielefeld, die mich für diesen Zeitraum freigestellt hat.
    Nicht vergessen möchte ich bei der Abstattung meines Dankes Cordula Kramer und Georg Ziegler, auf deren Campingplatz am Hirzberg in Freiburg ein großer Teil des Buchs in einem Wohnmobil geschrieben worden ist.
    Kai Kauffmann, Freund, Kollege und zur rechten Zeit Dekan unserer Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft, hat mir während des Endspurts mitten im Betrieb eines Massenfachs das Leben leichter gemacht. Mein Kollege Meinolf Schumacher hat mir bei der Beschäftigung mit den spätmittelalterlichen Texten den erforderlichen Mut zugesprochen und war jederzeit zur Stelle, wenn es um schwierige editorische Fragen ging.
    Ohne die sorgfältigen Korrekturen und die Einrichtung des Literaturverzeichnisses durch Nils Klatt und Vanessa Vogt hätte sich das Erscheinen deutlich hinausgezögert. Ihrer zuverlässigen Arbeit, ihrer Identifikation mit dem Projekt und ihrer Belastbarkeit schulde ich mehr Dank, als ich hier zum Ausdruck bringen kann.
    Nicht zuletzt hat der Suhrkamp Verlag mit meinem Lektor Henning Marmulla diesem Buch in seinem Programm einen schönen Platz eingeräumt und ihm eine Gestalt gegeben, über die ich mich besonders freue.

536 Literaturverzeichnis
    Ab Hortis, Samuel Augustini (1995): Cigani v Uhorsku. Zigeuner in Ungarn. Bratislava.
    Adelsberger, Lucie (1956): Auschwitz. Ein Tatsachenbericht. Das Vermächtnis der Opfer für uns Juden und für alle Menschen. Berlin.
    Adler, Marta (1957): Mein Schicksal waren die Zigeuner. Ein Lebensbericht. Hg. v. R. A. Stemmle. Bremen.
    Adolay, Eduard (1872): Die Böhämmer. Eine Dorfchronik. Berlin.
    Agamben, Giorgio (2002): Homo sacer. Frankfurt a. M.
    Aichele, Hermann (1912a): Die Zigeuner in der Vergangenheit, namentlich Württembergs.
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