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Eulen

Eulen

Titel: Eulen
Autoren: Carl Hiassen
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Was meinst du, was wir mit einem so gewalttätigen Jungen wie dir machen sollten?«
    »Wenn hier einer gefährlich ist, dann Matherson! Der schikaniert doch alle jüngeren Kinder im Bus.«
    »Es hat sich aber noch nie jemand beschwert.«
    »Weil alle Angst vor ihm haben«, sagte Roy. Aus demselben Grund hatte sich auch niemand gefunden, der Roys Version des Vorfalls bestätigt hatte. Niemand traute sich, Dana zu verpetzen und ihm dann am nächsten Tag im Bus zu begegnen.
    »Aber wenn du nichts gemacht hast – wieso bist du dann weggerannt?«, fragte Miss Hennepin.
    Roy bemerkte ein einzelnes, tiefschwarzes Haar über der Oberlippe der Schulleiterin. Er fragte sich, wieso sie es wohl nicht entfernte – konnte es sein, dass sie es mit Absicht wachsen ließ?
    »Roy, ich habe dich etwas gefragt.«
    »Ich bin weggerannt, weil ich auch Angst vor ihm habe«, antwortete Roy.
    »Oder vielleicht hattest du Angst, was dir passieren würde, wenn der Vorfall gemeldet würde.«
    »Das ist nicht wahr.«
    »Nach den Regeln unserer Schule könnten wir dich vom Schulbesuch suspendieren.«
    »Er hat mich gewürgt. Was sollte ich denn sonst tun?«
    »Steh bitte auf.«
    Roy tat es.
    »Tritt näher«, sagte Miss Hennepin. »Wie geht es deinem Kopf? Hat dich hier der Golfball getroffen?« Sie berührte die blauviolette Schwellung oberhalb von Roys Ohr.
    »Ja, Ma’am.«
    »Du hast ganz schönes Glück gehabt, junger Mann. Es hätte viel schlimmer kommen können.«
    Roy spürte, wie Miss Hennepins knochige Finger den Kragen seines Hemdes herunterbogen. Im nächsten Moment wurden die kühlen grauen Augen der Schulleiterin ganz schmal und ihre wächsernen Lippen spitz. Sie schien entsetzt.
    »Hmm«, sagte sie und beäugte ihn wie ein Bussard.
    »Was ist los?«, fragte Roy und machte einen Schritt außer Reichweite.
    Miss Hennepin räusperte sich und sagte: »Wenn ich mir die Beule an deinem Kopf anschaue, dann nehme ich an, dass du nun aus Erfahrung klug geworden bist. Hab ich Recht?«
    Roy nickte. Mit einem Menschen, der ein langes, ölig glänzendes Haar züchtete, konnte man nicht argumentieren. Roy fand Miss Hennepin einfach gruselig.
    »Deshalb habe ich beschlossen, dich nicht vom Schulbesuch zu suspendieren«, sagte sie und klopfte dabei mit dem Bleistift auf ihr Kinn. »Aber du wirst vorerst nicht mit dem Schulbus fahren.«
    »Echt?« Roy musste fast lachen. Was für eine geniale Strafe! Kein Schulbus – kein Dana!
    »Zwei Wochen lang nicht«, sagte Miss Hennepin.
    Roy bemühte sich, erschrocken auszusehen. »Zwei ganze Wochen?«
    »Außerdem möchte ich, dass du Dana Matherson einen Brief schreibst, in dem du dich entschuldigst. Und zwar aufrichtig.«
    »Okay«, sagte Roy, »aber wer liest ihm den Brief vor?«
    Miss Hennepin schlug ihre spitzen gelben Zähne aufeinander. »Du solltest dein Glück nicht herausfordern, Roy.«
    »Nein, Ma’am.«
    Sobald er das Büro verlassen hatte, ging Roy schnurstracks zu den Toiletten. Er kletterte auf eines der Waschbecken, über denen ein Spiegel hing, und bog seinen Hemdkragen hinunter. Er wollte gern sehen, worauf Miss Hennepin so gestarrt hatte.
    Roy grinste. Auf beiden Seiten seines Adamsapfels waren vier rote Fingerabdrücke zu sehen. Er rutschte auf dem Waschbeckenrand weiter und verrenkte sich fast den Hals, bis er hinten im Nacken zwei passende Daumenabdrücke entdeckte.
    Danke, Dana Dummkopf, dachte er. Wenigstens weiß Miss Hennepin jetzt, dass ich die Wahrheit gesagt habe.
    Na ja, im Großen und Ganzen jedenfalls.
    Die Sache mit dem rennenden Jungen hatte er ausgelassen. Er war sich nicht sicher, wieso, aber irgendwie kam es ihm so vor, als gehörte das zu den Dingen, die man nicht unbedingt einer Stellvertretenden Schulleiterin erzählt, wenn es nicht absolut sein musste.
     
    Er hatte den Vormittagsunterricht verpasst und den größten Teil der Mittagspause. Schnell ging er durch die Cafeteria und fand einen leeren Tisch. Er setzte sich mit dem Rücken zur Tür, schlang einen Chiliburger hinunter und kippte einen Karton lauwarmer Milch hinterher. Zum Nachtisch gab es einen halb verbrannten Keks mit Schokochips, der etwa so groß war wie ein Hockey-Puck und auch nicht viel besser schmeckte.
    »Baah«, machte Roy. Mit einem dumpfen Geräusch landete der ungenießbare Keks auf dem Teller. Roy nahm sein Tablett und stand auf. Im nächsten Moment zuckte er zusammen -jemand hatte ihm eine schwere Hand auf die Schulter gelegt. Er traute sich kaum, sich umzuschauen. Was, wenn es Dana
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