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Eugénie Grandet (German Edition)

Eugénie Grandet (German Edition)

Titel: Eugénie Grandet (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Francs – lediglich mit seiner Berufsarbeit verknüpft.
    Diese Lebensführung und diese Anschauungen erklären das Schweigen Charles Grandets zur Genüge. Der Spekulant hatte sich einen Decknamen beigelegt, unter dem es ihm leichter wurde, seine dunklen Geschäfte in Indien, St. Thomas, an der afrikanischen Küste, in Lissabon und in den Vereinigten Staaten abzuschließen: Carl Sepherd durfte sich ja überall als unermüdlich, verwegen, habgierig erweisen, als ein Mann, der beabsichtigt, quibuscumque viis sein Glück zu machen, und der sich auf schlechten, unehrlichen Wegen beeilt, um für den Rest seiner Tage als anständiger Mensch leben zu können. Bei solchen Grundsätzen kam er sehr bald zu einem glänzenden Vermögen.
    Im Jahre 1827 kehrte er also mit der hübschen Brigg ›Marie Caroline‹, die einem royalistischen Handelshause gehörte, nach Bordeaux zurück. Er besaß eine Million neunhunderttausend Francs in Goldstaub, der drei starke Fässer füllte und den er mit sieben bis acht Prozent Gewinn in Paris zu Geld zu machen gedachte.
    Auf dieser Brigg befand sich auch ein Kammerherr Seiner Majestät König Karls X., Monsieur d’Aubrion, ein guter alter Herr, der die Dummheit begangen hatte, eine femme à la mode zu heiraten, und der auf den Antillen Ländereien besessen hatte. Infolge der Verschwendungssucht seiner Gattin hatte er seine dortigen Besitzungen verkaufen müssen. Monsieur und Madame d’Aubrion – vom Hause d’Aubrion de Buch, dessen letzter Landeshauptmann vor 1789 gestorben war – hatten ein Einkommen von etwa zwanzigtausend Francs und eine recht häßliche Tochter, welche die Mutter ohne Mitgift zu verheiraten gedachte, da das Vermögen kaum für die Pariser Lebensführung genügte. Dies war ein Unterfangen, dessen Erfolg jedermann fraglich erscheinen mußte, ungeachtet der Geschicklichkeit, die man den Damen von Welt zuzusprechen pflegt. Madame d'Aubrion selber verzweifelte beim Anblick ihrer Tochter an der Möglichkeit, einen Mann für sie zu finden, sei es auch ein Mann, der den Ehrgeiz hatte, sich mit einer Adelsfamilie zu liieren.
    Mademoiselle d'Aubrion war lang und dünn, wie das Insekt, dessen Namen sie trug; sie war bleich und schmächtig, hatte einen verächtlichen Mund, auf den sich eine zu lange, unten verdickte Nase herabsenkte. Diese Nase, die in normalem Zustand gelb war, erstrahlte nach jeder Mahlzeit in tiefem Rot – ein naturwissenschaftliches Phänomen, das sich in diesem bleichen und gelangweilten Antlitz noch unangenehmer ausnahm als irgendwo sonst. Kurz, sie war ganz so, wie eine noch schöne Mutter von achtunddreißig Jahren sich nur die Tochter wünschen kann. Als Gegengewicht gegen alle diese Nachteile aber hatte die Marquise d'Aubrion ihrer Tochter ein vornehmes Auftreten beigebracht, hatte sie einer hygienischen Kur unterworfen, die der Nase wenigstens zeitweise ein annehmbares Aussehen verlieh; sie hatte ferner die Tochter die Kunst gelehrt, sich geschmackvoll zu kleiden, hatte ihr kokette Manieren beigebracht und den melancholischen Augenaufschlag, der den Mann interessiert und ihn glauben macht, den lang erträumten Engel auf Erden vor sich zu sehen; sie hatte ihr gezeigt, wie sie jedesmal dann, wenn die Nase sich röte, ihr Füßchen sehen lassen müsse, damit man seine Niedlichkeit bewundern könne – sie hatte also aus ihrer Tochter das Menschenmögliche gemacht. Mit Hilfe weiter Ärmel, lügnerischer Taille, bauschiger, reichgarnierter Kleider und einem hochschnürenden Korsett hatte sie eine so reizvolle Weiblichkeit zustande gebracht, daß sie sie zur Belehrung der Mütter eigentlich in einem Museum hätte ausstellen müssen.
    Charles schloß sich sehr an Madame d'Aubrion an, die dies natürlich bezweckt hatte. Einige Leute behaupten sogar, daß die schöne Madame d'Aubrion während der Überfahrt kein Mittel unversucht ließ, um einen so reichen Schwiegersohn zu fangen. Als man sich im Juni 1827 in Bordeaux ausschiffte, stieg die Familie d'Aubrion mit Charles in dem nämlichen Hotel ab und reiste dann zusammen mit ihm nach Paris weiter.
    Das Palais d'Aubrion war über und über mit Hypotheken belastet; Charles sollte es davon befreien. Die Mutter hatte schon davon gesprochen, daß es sie beglücken werde, ihrem Schwiegersohn und ihrer Tochter das ganze Erdgeschoß zur Verfügung zu stellen. Da sie Monsieur d'Aubrions adlige Vorurteile nicht teilte, hatte sie Charles versprochen, von Karl X. eine königliche Verfügung zu erwirken, derzufolge er,
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