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Etwas ist faul

Etwas ist faul

Titel: Etwas ist faul
Autoren: Agatha Christie
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Kosten deckende Miete. Keine Makler.«
     
    Eine ganz gewöhnliche Annonce. Sie hatte eine Menge dieser Art gelesen – zumindest ähnliche. Kosten deckende Miete – das war meistens der Haken an der Geschichte.
    Doch da sie so unruhig war und ihren Gedanken entfliehen wollte, setzte sie den Hut auf und nahm den Bus, der in die Richtung der genannten Adresse fuhr. Wie sich herausstellte, war es ein Maklerbüro, keine moderne große Firma, eher schäbig und altmodisch. Etwas verlegen holte sie die Anzeige heraus, die sie aus der Zeitung herausgerissen hatte, und fragte nach näheren Einzelheiten.
    Der weißhaarige alte Gentleman, der sie empfangen hatte, strich sich nachdenklich das Kinn.
    »Perfekt! Ja, perfekt, Madam. Es handelt sich um das Haus am Cheviot Place 7. Möchten Sie es mieten?«
    »Ich hätte vorher gern gewusst, wie hoch die Miete ist«, antwortete Mrs St. Vincent.
    »Ach, die Miete! Die genaue Höhe steht noch nicht fest, aber ich kann Ihnen versichern, sie soll nur die Kosten decken.«
    »Darüber, was Kosten deckend ist, gehen die Meinungen ziemlich auseinander«, sagte Mrs St. Vincent.
    Der alte Gentleman gestattete sich ein leises Kichern.
    »Ja, das ist ein alter Trick – ein sehr alter Trick. Aber ich gebe Ihnen mein Wort, dass er in diesem Fall nicht zutrifft. Zwei oder drei Guineas die Woche vielleicht, nicht mehr.«
    Mrs St. Vincent beschloss, sich eine Besichtigungserlaubnis geben zu lassen. Natürlich war es höchst unwahrscheinlich, dass sie sich das Haus leisten konnte. Aber ansehen konnte sie es sich schließlich. Wenn man es so billig hergab, musste es irgendwelche Nachteile haben.
    Als sie vor Cheviot Place 7 stand, machte ihr Herz einen Satz. Ein Schmuckstück von einem Haus! Im Queen-Anne-Stil erbaut und sehr gepflegt. Ein Butler öffnete. Er hatte graues Haar und kleine Koteletten und strahlte die Ruhe und Würde eines Erzbischofs aus.
    Mit gütigem Gesicht nahm er den Erlaubnisschein in Empfang.
    »Selbstverständlich, Madam, führe ich Sie herum. Sie könnten sofort einziehen.«
    Er schritt ihr voraus, öffnete Türen, erklärte die Räumlichkeiten.
    »Dies ist das Wohnzimmer, dies das weiße Arbeitszimmer, dann eine Toilette, bitte, hier durch, Madam.«
    Es war vollkommen – ein Traum, alles Stilmöbel, jedes Stück verriet, dass es oft gebraucht worden war, liebevoll gepflegt und gewachst. Die Teppiche hatten gedämpfte alte Farben. In jedem Raum standen Vasen mit frischen Blumen. Die Rückseite des Hauses ging auf den Green Park hinaus. Das Ganze strahlte einen altmodischen Charme aus.
    Mrs St. Vincent traten die Tränen in die Augen, die sie nur mit Mühe zurückhalten konnte. So hatte »Ansteys« ausgesehen, »Ansteys«…
    Sie fragte sich, ob der Butler ihre Rührung bemerkt hatte. Falls ja, war er zu gut erzogen, um es zu zeigen. Sie mochte diese alten Diener, man fühlte sich so geborgen bei ihnen, so sicher. Sie waren wie gute Freunde.
    »Ein schönes Haus«, sagte sie leise. »Sehr schön. Ich habe mich gefreut, es ansehen zu dürfen.«
    »Ist es für Sie allein, Madam?«
    »Für meinen Sohn und meine Tochter und für mich. Nur fürchte ich…«
    Sie schwieg. Sie hätte es so gern gemietet – so schrecklich gern!
    Sie spürte instinktiv, dass der Butler sie verstand. Ohne sie anzusehen sagte er in seiner kühlen, unpersönlichen Art: »Zufällig weiß ich, Madam, dass dem Besitzer vor allem an den richtigen Mietern gelegen ist. Die Miete spielt für ihn keine Rolle. Er möchte, dass in dem Haus jemand wohnt, der es wirklich liebt und sich um alles ordentlich kümmert.«
    »Das würde ich tun«, sagte Mrs St. Vincent. Dann fügte sie, schon zum Gehen gewandt, hinzu: »Vielen Dank, dass Sie mich herumgeführt haben.«
    »Es war mir ein Vergnügen, Madam.«
    Er stand unter der Haustür, sehr korrekt und aufrecht, während sie die Straße hinunterging. Er weiß Bescheid, überlegte sie. Ich tue ihm leid. Er gehört auch noch zur alten Garde. Er hätte gern, dass ich dort wohne und nicht ein Abgeordneter der Arbeiterpartei oder ein Knopffabrikant. Unsere Art stirbt aus, aber wir halten zusammen.
     
    Am nächsten Morgen lag ein Brief neben ihrem Teller. Er stammte von der Maklerfirma. Man machte ihr das Angebot, Cheviot Place 7 auf sechs Monate für zwei Guineas in der Woche zu mieten, und dann hieß es weiter: »Sicherlich haben Sie den Umstand bedacht, dass die Angestellten weiterhin vom Eigentümer bezahlt werden? Es ist ein einmaliges Angebot.«
    Das war es wirklich.
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