Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ethan von Athos

Ethan von Athos

Titel: Ethan von Athos
Autoren: Lois McMaster Bujold
Vom Netzwerk:
heimgesucht haben.«
    »Nur so kann ich wirklich Urlaub machen – ich muss aus der Stadt abhauen«, gab Ethan sarkastisch zu. Er blickte auf die Reihen von Anzeigen, die die Kabine säumten. Der Leiter der Nachtschicht schwieg, nippte an seinem Kaffee und beobachtete Ethan über den Tassenrand hinweg, beunruhigend stumm, nachdem das Thema erschöpft war.
    Jetzt wurde Reihe 1 der Uterusreplikatoren angezeigt. Ethan rief direkt Reihe 16 auf, wo sich der CJB-9-Embryo befand.
    »Ach, verdammt.« Er stieß einen langen Seufzer aus. »Das hatte ich befürchtet.«
    »Jaa«, stimmte Georos zu und schürzte mitfühlend die Lippen. »Überhaupt nicht lebensfähig, keine Frage. Ich habe vorletzte Nacht ein Sonar gemacht – das ist nur ein Haufen von Zellen.«
    »Hätte man das nicht schon letzte Woche melden können? Warum ist der Replikator nicht recycelt worden? Da warten doch noch andere, weiß Gott.«
    »Man wartet auf die väterliche Erlaubnis, den Embryo auszuspülen.« Georos räusperte sich. »Roachie hat eingeplant, dass der Vater heute Vormittag zu Ihnen zu einer Besprechung kommt.«
    »Oh …« Ethan fuhr sich mit der Hand durch das kurze dunkle Haar und brachte seine ordentliche, professionelle Frisur durcheinander. »Erinnern Sie mich, dass ich mich bei unserem lieben Chef bedanke. Haben Sie noch eine weitere wunderbare Drecksarbeit für mich aufgehoben?«
    »Bloß ein paar genetische Reparaturen an 5-B – möglicherweise Enzymmangel. Aber wir haben uns vorgestellt, dass Sie das selbst machen wollten.«
    »Ganz recht.«
    Der Leiter der Nachtschicht begann mit seinem Routinebericht.
     
    Zur Besprechung mit dem Vater des CJB kam Ethan fast zu spät. Während der Morgeninspektion hatte er in einer Replikatorenkammer den diensthabenden Techniker dabei ertappt, wie er während der Ausübung seiner Pflichten fröhlich zu den lauten und heiseren Klängen von ›Let’s Stay Up All Night‹ tanzte, einer zur Zeit in den Kreisen der Nichtdesignierten populären schrillen Tanzmelodie, die aus den Stimu-Lautsprechern dröhnte. Der jagende Rhythmus machte Ethan kribbelig, dies konnte kaum die ideale vorgeburtliche Klangstimulation für die wachsenden Föten sein. Als Ethan den Raum wieder verließ, tönten sanft die beruhigenden Klänge der klassischen Hymne ›Gott Unserer Väter, Erleuchte den Weg‹ durch den Raum, gespielt vom Kammerorchester der Vereinigten Bruderschaften, und der missmutige Techniker gähnte anzüglich.
    In der nächsten Kammer fand er eine Reihe von Uterusreplikatoren, die schon zu 75 % mit den Ausscheidungstoxinen gesättigt waren, die von der Austauschlösung weggetragen wurden. Der diensthabende Techniker erklärte, er habe gewartet, bis die vorgeschriebenen 80 % erreicht wären, bevor er die obligatorischen Filterwechsel durchführte. Ethan erklärte deutlich und nachdrücklich den Unterschied zwischen Minimum und Optimum und überwachte die Filterwechsel und den nachfolgenden Rückgang der Sättigung auf eher tragbare 45 %.
    Der Mann an der Aufnahme musste ihn zweimal anpiepsen, bis er den Vortrag unterbrach, den er dem Techniker über die genaue Nuance der zitronengelben, kristallklaren Helligkeit hielt, die man von einer Sauerstoff- und Nährstoffaustauschlösung bei Spitzenleistung erwartete. Er eilte in die Büroetage hinauf und blieb einen Moment lang keuchend vor seiner Tür stehen, um die Würde eines Sprechers des Reproduktionszentrums mit der Unhöflichkeit, einen Gast warten zu lassen, ins Gleichgewicht zu bringen. Er holte tief Luft, was nichts mit seinem Galopp die Treppe hinauf zu tun hatte, setzte ein freundliches Lächeln auf und öffnete die Tür, auf deren elfenbeinfarbener Plastikfläche in erhabenen Goldbuchstaben zu lesen war:
     
    DR. ETHAN URQUHART
    LEITER DER ABTEILUNG REPRODUKTIVE BIOLOGIE.
     
    »Bruder Haas? Ich bin Dr. Urquhart. Nein, nein – bleiben Sie sitzen, machen Sie es sich bequem«, fügte Ethan an, als der Mann nervös aufsprang und ihn mit einer Verneigung begrüßte. Ethan umrundete ihn und nahm an seinem Schreibtisch Platz, wo er sich absurderweise geschützt vorkam.
    Der Mann war riesig wie ein Bär, von langen Tagen in Sonne und Wind gerötet, die Hände, die seine Kappe immerzu herumdrehten, waren muskulös und voller Schwielen. Er starrte Ethan an. »Ich hatte einen älteren Herrn erwartet«, brummte er.
    Ethan fasste sich ans rasierte Kinn, wurde sich dann der Geste bewusst und ließ hastig die Hand fallen. Wenn er nur einen Bart oder wenigstens
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher