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Es war einmal eine Familie

Es war einmal eine Familie

Titel: Es war einmal eine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lizzie Doron
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sehr ähnlich«, sagte er unvermittelt. »Ich muß ihn heute noch treffen. Unbedingt.« Er rang die Hände.
    »Mein Vater ist tot«, sagte ich verlegen.
    Die wenigen Schüler, die noch im Klassenzimmer waren, wurden still. Der Mathematiklehrer wurde blaß und lehnte sich an die Wand.
    »Also ist auch Kube tot«, sagte er und schloß die Augen. »Den ganzen Krieg lang waren wir zusammen, den ganzen Krieg.« Nach einigen Tagen bat er mich, meiner Mutter zu sagen, daß er sie treffen wolle, um ihr von Kube zu erzählen.
    »Ich bin neugierig zu wissen, wen Kube sich zur Frau erwählt hat«, sagte er und berührte sanft meine Schulter.
    Am Abend, als meine Mutter in der Küche Salat vorbereitete, ließ ich wie nebenbei fallen: »Mama, unser Mathematiklehrer war mit meinem Vater im Krieg.«
    »Und wie heißt er, der Herr Mathematiklehrer?« fragte sie, und die Gurke, die sie in der Hand hielt, fiel auf die Anrichte und rollte zu Boden.
    »Meir Oldak«, antwortete ich.
    Helena setzte sich auf einen Stuhl. »Er braucht mich nicht kennenzulernen«, sagte sie.
    Nach einem kurzen Schweigen fügte sie beherrscht hinzu: »Jeder, den wir geliebt haben, ist tot.«
    Mit dem Geschirrhandtuch wischte sie sich den Schweiß vom Gesicht, goß sich einen Tee ein und trank ihn, dazu aß sie einen Butterkeks und eine Beruhigungspille. Danach saß sie noch lange in sich gekehrt auf dem Stuhl in der Küche.
    Am Ende unseres letzten Jahres im Gymnasium, bei unserer Abschlußfeier, rief mich Herr Oldak zu sich.
    »Sei erfolgreich, im Militär und überhaupt«, wünschte er mir sanft und liebevoll, und, als hielte er den Augenblick für günstig, fügte er hinzu: »Dein Vater war mit mir im Krieg.« Er wollte noch etwas sagen, aber seine Stimme versagte den Dienst. Sehr verlegen sagte ich, ich müsse zurück zur Feier.
    Aber er hielt mich zurück und fragte noch: »Verstehst du das? Wirklich den ganzen Krieg lang waren wir zusammen.«
    In der ersten Woche meines Militärdienstes beim Nachal legte ich übertriebenen Heldenmut an den Tag und lief barfuß durch den Kibbuz, bis ich in einen rostigen Nagel trat. Ich wurde schnell zur Krankenbaracke gebracht.
    »Ich heiße Gadi Elad«, sagte der freundliche Reservist, der dort als Sanitäter meinen blutenden Fuß behandelte.
    Nachdem er mich nach meinem Namen gefragt hatte, lächelte er. »Du solltest deinen Namen hebraisieren. In unserem Land sollte jeder einen hebräischen Familiennamen haben. Das ist nicht meine Idee, sondern die von Ben Gurion, und ich habe seinen Rat befolgt.«
    Während er meinen Fuß kunstvoll nähte und verband, erzählte er mir, daß er bald ins Ausland reisen würde, um dort sein Studium der Veterinärmedizin abzuschließen, danach wolle er zurückkommen und als Tierarzt im Kibbuz arbeiten.
    »Wenn ich wiederkomme, werde ich dich suchen und nachschauen, ob ich dir auch nicht geschadet habe, schließlich bin ich ja nur Veterinär«, tröstete er mich und lächelte.
    In den Tagen bis zu seiner Abreise waren wir zusammen beim Wachdienst, in der Küche und im Gemüsegarten.
    Zwei Wochen nach Beginn des Jom-Kippur-Kriegs ließ mich die Offizierin kommen.
    »Die Listen sind da«, sagte sie ohne weitere Erklärung. »Ich bitte dich, in deinem Wohnbezirk mit der Nachricht zu den Familien der Gefallenen zu gehen, du kennst die Leute doch bestimmt am besten.« Sie reichte mir das Blatt mit den Namen. Ich kannte sie alle, Dovele, Uri, Malkales Zvika und Gadi Elad, dessen Namen ebenfalls auf der Liste stand. Neben seinem Namen las ich die Bemerkung: Am Mittwoch auf den Golanhöhen im Kampf gefallen.
    Ich wollte es nicht akzeptieren »Aber Gadi ist doch im Ausland!« rief ich.
    »Er ist direkt vom Flughafen zu seiner Einheit gefahren«, antwortete die Offizierin trocken.
    Ich versuchte den Auftrag abzuwehren. »Aber er ist nicht aus meinem Viertel, und ich kenne seine Familie nicht«, murmelte ich.
    »Er ist ein Nachbar, er wohnt bei euch in der Gegend«, antwortete sie und las mir aus einem Notizbuch die Einzelheitenvor. »Schreib auf«, forderte sie. »Gadi Elad, in Klammern Oldak, Name des Vaters: Meir, Name der Mutter: Renia, Name der Schwester: Sarit.«
    Ich legte das Blatt mit den Namen auf den Tisch und rannte aus dem Zimmer, mir war heiß, meine Augen brannten, mein Mund war trocken.
    Draußen wehte ein herbstlicher Wind, eine frische Brise vom See Genezareth, von weitem waren manchmal Schüsse zu hören, sonst war es still.
    Mit der ersten Fahrgelegenheit fuhr ich von der

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